Der »Stolperstein« für Wilhelmine Siebe in Stade

Es gibt in Stade unzählige Winkel und Ecken, in die Autofahrer nie gelangen und allenfalls Anwohner zu Fuß unterwegs sind. Hier kommt niemand her, der nicht etwas zu beschicken hat.

Nicht weit von den paar Gassen, die den Touristen zum Konsum angeboten werden, befindet sich die Kerstenstraße, in die es mich gedankenverloren verschlug und ich nurmehr ahnte, wohin sie mich führen würde.

Dort stolperte ich über einen Stein im Pflaster, auf den noch nicht viele andere als die Anwohner gestoßen sein dürften.

In das Haus Nummer 2 zog 1920 die 23-jährige Wilhelmine Schmidt zu dem Arbeiter Johann Hinrich Siebe, nachdem sie ihn geheiratet hatte. Die Tochter Marianne wurde 1922 geboren, mutmaßlich in diesem Haus.

»Wilhelmine Siebe stand unter Beobachtung der örtlichen Gestapo. Am 28. Oktober 1943 verübte sie wegen einer Vorladung durch die Gestapo Selbstmord.«

Soviel verrät die Website stolpersteine-stade. Das war es. Mehr Geschichte ist nicht zu erfahren, ohne Nachforschungen anzustellen. Weshalb stand Wilhelmine Siebe im Visier der Geheimpolizei? Die »örtliche Gestapo« waren Beamte der Kriminalpolizei Kripo, die Gestapo-Aufgaben übernahmen, sofern diese anfielen. Konkret hieß das: wenn Denunziationen vorlagen.

Woher stammt die Information, dass Wilhelmine Siebe »unter Beobachtung« stand? Und wie wird der Zusammenhang mit ihrem Suizid hergestellt?

Soviel ist jedenfalls klar: Wilhelmine Siebes Geschichte ist nicht die typische Opfer-Story, in der jemand darauf wartet, bis das Unheil los bricht. Als wie bedrohlich sah sie die «Vorladung durch die Gestapo« an, dass sie den Freitod vorzog?

So verdienstvoll die Website ist, so hilflos mutet sie an. Wer über einen Stein stolpert und die Geschichte erfahren möchte, sollte sie auch erfahren können. Was spricht dagegen, sämtliche Informationen über die man verfügt, zu veröffentlichen, statt Suchenden neue Fragen aufzudrängen?