Die einzige Tageszeitung verhöhnt nach wie vor die Pressefreiheit

„Früher Perle, heute Schandfleck“, schreibt das Stader Tageblatt über den Bahnhof in Stade. Wann genau dieser eine „Perle“ gewesen sein soll, ist dem Teaser des Artikels auf der Website nicht zu entnehmen und ich spare mir das Geld, das es mich kosten würde zu erfahren, was die Redaktion meint.

In den 27 Jahren, die ich seit 1993 in Stade verbrachte, war der Bahnhof nie eine Perle. Er war ein Ort, der in der Wahrnehmung des Gros der „Normalbürger“ und der politischen Klasse wie ihrer publizistischen Handlanger einfach nicht vorkam. In Stade ist man Autofahrer. Punkt. Wer Bahn oder Bus fährt zählt nicht oder wird deswegen verachtet.

In Cuxhaven habe eine Bürgerinitiative eine „Wende“ geschafft. Und „Stader Politiker wollen sich das ganz ansehen.“ Soll heißen, sie wollen das erste Mal überhaupt genauer hinsehen.

O, ich vergaß: Sie haben schon ein paar Mal hingesehen – wenn es darum ging, den Bahnhof als Kriminalitätsschwerpunkt herbei zu fantasieren. Einmal erfand das Tageblatt sogar ein „Bermuda-Dreieck“ der Gewalt um den Bahnhof – woraufhin sich Widerspruch regte und man einen Reporter losschickte, damit er das genaue Gegenteil behauptete.

Ansonsten betreten Redakteure der Zeitung den Bahnhof nie, denn sie sind Autofahrer. Was sie über den Bahnhof in die Welt setzen sind die Gerüchte, die von anderen Autofahrern verbreitet werden, die den Bahnhof nur vom Vorbeifahren kennen.

In den drei Jahrzehnten, für die ich Zeugnis ablegen kann, funktionierte das korrupte Verhältnis zwischen Politik und Medien perfekt. In der Zeitung stand nur exakt das, was der politischen Klasse behagte. Und wer wie ich im Auftrag anderer Zeitungen die Wirklichkeit beschrieb, wurde von den einen wie den anderen als Aussätziger behandelt. Als Gefahr für ihre Pseudo-Demokratie, die so durchscheinend ist wie es das Kaiserzeit und das Dritte Reich waren: ein Deckmäntelchen für den Geldadel, der abseits der jeweiligen Verfassung ihre Ausbeutung betreibt. Seit ihrer Gründung im Kaiserreich hat das Tageblatt treu seinen Herren (und nicht Damen) gedient.

Inzwischen muss ich mir diesen anti-demokratischen Sumpf, zu dessen Verteidigung neuerdings die manipulierte Bürgerschaft sogar massenhaft auf die Straße geht (wenngleich nicht in Stade), nicht mehr aus der Nähe anschauen. Geändert hat sich anscheinend nichts. Allein die Vehemenz, mit der die Unmündigen für ihre Interessen ihrer Vormünder eintreten, hat zugenommen.