Warum ich keine Klagen über Kitas hören kann

Zu wenige Erzieherinnen in der Kita, „Missstände in der Frühförderung“, lese ich heute im Tagesspiegel. Ja, was denn noch? Die kapitalistische Verwertung von Menschenleben kommt offenbar an ihre Grenzen, wenn die Lohnabhängigen auch noch Nachwuchs produzieren, der gebraucht wird, um die künftigen Profite zu sichern.

Damals, als ich geboren wurde, war die Reproduktionsrate beispiellos hoch. Heute wird meist verächtlich von „Boomern“ geredet. Von Kitas war damals keine Rede.

Ich bin nie in einem Kindergarten, wie das mal hieß, oder einer Kita gewesen. Meine gesellschaftliche Sozialisation im Sinne der Verwertungslogik begann erst mit der Schule. Und dorthin begab ich mich allein und zu Fuß. Kunststück: Die Bildungsanstalt befand sich fünf Minuten entfernt auf der anderen Seite eines Waldstücks. Heute würden Helikopter-Eltern vermutlich trotzdem den längeren Weg mit dem SUV-Eltern-Taxi zurücklegen.

Meine Eltern haben beide gearbeitet, weil sie sonst nicht ihr Auskommen mit einem Kind gehabt hätten. Und haben zur Untermiete mit Plumpsklo gewohnt. Um den Sohn haben sich tagsüber die älteren Nachbarskinder gekümmert. So wie ich später um meinen Bruder.

Wenn die Nachgeborenen heute über meine Generation herziehen, kriege ich berechtigte Hassanfälle. Dieses verwöhnte Gesocks! In den 1960ern hätte niemand gewusst, was mit „Frühförderung“ gemeint sein könnte. Ich habe mich selbst gefördert und musste mich damit gegen eine Umwelt durchsetzen, die von mir erwartete, dass ich mich bedingungslos in den Dienst derer stelle, die über die Produktionsmittel verfügen, meine Arbeitskraft abzuschöpfen. Um dann möglichst rasch nach Erreichen des Rentenalters wie meine Eltern das Zeitliche zu segnen, um den Herrschaften und ihrem Gesellschaftsmodell nicht weiter zur Last zu fallen.

Work-Life-Balance! Wann genau kam das Wort eigentlich auf? Jedenfalls ungefähr zu der Zeit, als absehbar wurde, dass die ganze Erde in einer Klimakatastrophe zugrunde gehen würde und es bestenfalls noch darauf ankäme, ob die letzte Generation überhaupt das Rentenalter erreicht.

Ich habe mich lebenslang gegen die Ausbeutung meines Lebens gewehrt. Unter anderem, indem ich dieser verkommenen Gesellschaft keinen Nachschub zur Verfügung gestellt habe. Wäre es trotzdem passiert, hätte ich Schwierigkeiten bekommen, weil ich mein Kind gewiss nicht irgendwelchen Verwertungslogikern zur „Frühförderung“ in eine Kita anvertraut hätte. Und wenn es dann zur Schule gegangen wäre, wäre ich womöglich alle Tage dort erschienen, um den Lehrkräften, die das Kind zum guten Kapitalistenknecht abzurichten versuchen, den Marsch zu blasen.

Tatsächlich hat die Dressur auch bei der Mehrzahl der Boomer ohne Kitas geklappt. Man sieht ja, was für Seelenkrüppel herausgekommen sind, die mit ihrem Dasein nichts Besseres anzufangen wissen als zu konsumieren, indem sie unter anderem möglichst fett fressen und dicke Autos fahren. Der aktuelle Kanzler ist ein Boomer: schlumpfig grinsen, möglichst viel vergessen und nichts auf die Kette kriegen. Und geradezu in den nächsterreichbaren Krieg steuern. Weil das den Profit gewisser Unternehmen fördert.

Hat nicht unlängst eine von den Ministerinnen, die auch mit den Stimmen der Boomer an die Macht gekommen sind, mehr Wehrerziehung gefordert? Wird höchste Zeit, dass in den Kitas mit Panzern und Raketen gespielt wird!