Bemerkungen über Vorkommnisse vor meiner Haustür
Jahrzehntelang musste ich mich rechtfertigen, weil ich kein Auto fuhr, sondern mit Rad, Bus und Bahn unterwegs war. Ich galt als geisteskrank, absonderlich, pervers und als potenzielle Gefahr für die bürgerliche Allgemeinheit, weil ich das Lenken einer Blechkapsel nicht für existenziell hielt.
Inzwischen hat der Zeitgeist ein wenig gedreht, zumindest dem Anschein nach – und nun muss ich alle Nase lang Abbitte dafür leisten, dass ich das Radfahren aufgegeben habe. Es ist mir zu anstrengend und gefährlich an einem Verkehr teilzunehmen, der dominiert wird von acht- und rücksichtslosen Rasern, die Helme tragen und bekleidet sind, als würden sie die Tour de France absolvieren. Dazu kommen die Eltern, die ihren Kindern das Radfahren im öffentlichen Raum beibringen und zur Ignoranz von Radwegen erziehen. Ganz zu schweigen von den ideologisch motivierten Autofahrern, die die bloße Existenz von Radfahrern für einen Angriff auf ihre Wertegemeinschaft halten und keine Gelegenheit auslassen, sie dafür zu schikanieren.
Über allem schwebt in der Hansestadt Hamburg ein Senator von den Grünen, der Radwege so plant, dass sie möglichst viele Opfer fordern. Seine Anhänger mögen für diesen Gottesdienst bereit sein; ich bin es nicht. Ich habe genug automobile Mordlust erfahren, als der Herr Senator noch nicht geboren war, damit es bis ans Ende meines Lebens reicht.
Ich habe ein 49-Euro-Ticket und eine Bushaltestelle vor der Haustür. Ich komme hin, wohin immer ich will. Und wenn jenen, die mir vorhalten, Fahrradfahren sei doch bewegungsfördernd, nachdem ich die meiste Zeit des Tages am Schreibtisch verbringe, sage ich: Das ist Zufußgehen auch. Und es verbraucht kein Gramm CO2, weil dafür kein Rad hergestellt werden muss.
Das Vehikel, das ich nun einmotte, kam übrigens gebraucht in meinen Besitz. Obwohl ich jahrzehntelang Rad gefahren bin, habe ich mir nie ein neues Rad gekauft und nie mehr als eines besessen. Für die neue Mittelklasse der Radfahrfanatiker kommt selbstverständlich nur das allerneueste Modell in Frage, und sie besitzen derer mehrere. Nachdem ich fast ein halbes Jahrhundert lang den Automobilisten getrotzt habe, werde ich auch mit diesen Idioten fertig.
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