Wie Geschichte nicht verschwindet
Ich besitze keines, aber das Web belehrt mich, dass es wenigstens eines gibt, das inklusive Versand 14,20 € kostet: ein Exemplar der 64-seitigen Broschüre, in der mein erster gedruckter Text erschien.
1000 Jahre Harsefeld: Festschrift und Programm für die Festwoche vom 28. Mai bis 6. Juni 1971, herausgegeben vom Flecken Harsefeld, verlegt bei der Druckerei E. Tölle, zu beziehen über das »Libresso Antiquariat« in meinem Geburtsort.
Mein Vater hatte eine Ausstellung organisiert, zu der ich etwas über die »kleine Welt der Briefmarke« verfasste. Ich sammelte selbst nicht, sondern hatte mir das Thema, wie später immer wieder, als Fremdes angeeignet.
Ich war elf, als ich mich an die Schreibmaschine setzte. Besagt das etwas über die Güte des Hefts oder meines Texts?
Diese editorische Mitteilung dürfte den Preis nicht die Höhe treiben. Signiert vielleicht? Oder sollte ich das Exemplar erwerben, um es zu verbrennen? Ich erinnere den Text nicht im Einzelnen, glaube aber nicht, dass seine erneute Lektüre nicht peinlich wäre.
Ob das Heft als Quelle für Historiker von Wert ist? Ob diese erkennen könnten, dass die Meditationen über Markenphilosophie von einem Kind stammen? Falls sie gründlich recherchieren, habe ich hiermit verhindert, dass sie einem Irrtum unterliegen.
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Gemäß Paul Kammerers Gesetz der Serie [1919] gehört hierher, dass ich mich meines Erstdrucks bereits erinnert hatte, als ich im Programm zum 350-jährigen Bestehen des Rathauses zu Stade [→ Ein Fest für Königinnenbürger] von einem »Sonderpostamt« las – als sei die Zeit stehen geblieben und Briefmarken wären noch von Belang wie vor 47 Jahren.
Ich gehöre der aussterbenden Art an, die private Briefe versenden; diese werden am Schalter des unsonderlichen Postamts regulär nicht mit Marken sondern Aufklebern versehen. Einen Text über die »kleine Welt der Briefmarke« könnte ich heute schwerlich nicht als Gruselgeschichte anlegen.
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Zu der Serie still gestellter Zeit gehört das Prospekt, das ich im Supermarkt wahrnehme, obwohl ich Werbung sonst komplett ignoriere. Seit 1962 gibt es sie, und ungefähr damals wurde ich durch meine Mutter damit bekannt gemacht: Tupperpartys®.
Sie waren eine der ersten Lektionen in US-amerikanischem Konsumismus, und ich bezähme mich, sie mit heftigsten marxistischen Verwünschungen zu bedenken: Tauschwert, Mehrwert, Fetischcharakter der Tupperware® usw.
Eine Schauergeschichte, wie gesagt: »Überhaupt hat der Fortschritt das an sich, dass er viel größer ausschaut als er wirklich ist.« (Nestroy)
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