Selbstüberschätzung der Insektenretter

Ein Insekt liegt im Wasser. Eine facebook-Nutzerin fotografiert es. Und dann postet sie, sei sei „glücklich, rechtzeitig zur Stelle gewesen zu sein, um ihn retten zu können“.

Das hätte auch schief gehen können. Während sie das Foto machte, hätte das Insekt untergehen können. Offenbar stand nicht die Rettung im Vordergrund, sondern das Selbstbild als Retterin.

Die facebook-Nutzerin ist Tierschützerin und „Antifaschistin“ und lässt keine Gelegenheit aus, sich selbst als besseren Menschen auszustellen.

Ihr Foto vom fast ertrunkenen Insekt garniert sie mit Lobeshymnen auf die „Schöpfung“: „Wer hat Dich nur so perfekt erdacht, mit Deinen Fächerantennen, Deinen glänzenden, panzerartigen Deck- und den so zart-zerbrechlichen, feinst geäderten Unterflügeln, dem geometrisch exakt gezeichneten Muster an der Seite, dem samtigen Pelzwestchen … Es muss jemand sein, dem ein jedes Lebewesen – und vielleicht die filigransten, allerkleinsten am meisten – unendlich am Herz liegen.“

Vor längerer Zeit fiel mir ein ähnlicher Post auf. In den Kommentaren wurde die Autorin für ihre Insektenrettung gelobt, und außerdem fühlten jene, die sich wie ihre Anhänger gerierten, bemüßigt, mit eigenen Hilfsaktionen zu protzen.

Ich verkniff mir den naheliegenden Kommentar, weil ich nicht sicher sein konnte, ob er zutreffend wäre. Aber ich beobachtete das Profil darauf, ob es die betreffende Information preisgab.

Unter dem aktuellen Post steht nun: „Niemand von uns, die wir in der Lage sind, künstliche Intelligenz zu erschaffen, Roboter, Drohnen und Atombomben, sogar andere Planeten besuchen, ist in der Lage, Euch zurückzubringen, wenn Ihr [die Insekten] verschwunden seid!“

In der Aufzählung der technologischen Leistungen fehlt jene, derer sich die Autorin mutmaßlich täglich bedient. Sie wohnt auf dem Lande, und sie hat selbstverständlich ein Auto.

Als die Insektenrettung ehedem in den Schlagzeilen stand, fanden sich auf facebook Posts, in denen das Verschwinden der Gattung damit illustriert wurde, dass im Sommer die Windschutzscheiben der Automobile sauberer sein würden: weil die Insekten im Aussterben begriffen seien, könnten dort weniger von ihnen verenden. (→ Beitrag zur Insektenkunde)

Nachdem die Insektenretterin ihr Foto und ihre Hymne gepostet hat, setzt sie sich in ihr Fahrzeug und bekommt nicht einmal mit, wie viele Insekten sie damit tötet.

Aus dieser Schizophrenie gibt es kein Entkommen. Schon deshalb nicht, weil sie inzwischen die Politik unter dem Signum „Klimarettung“ dominiert. Die Menschheit sei aufgerufen, den Planeten zu retten, wird dabei gern behauptet. Der Planet lacht darüber. Für ihn bedeutet die Menschheit so wenig wie der Autofahrerin die Insekten und anderes Getier, das ihr zum Opfer fällt und deren Leichen die Seitenstreifen der Fahrbahnen säumen, wovon allenfalls Fußgänger etwas bemerken.

Gegen den Klimawandel vorzugehen rettet nicht den Planeten, sondern die Menschheit. Der Planet wird die Menschen abschütteln und überleben. Und die Chancen der Insekten, sich dem Klimawandel anzupassen, sind erheblich besser als die einer verwöhnten Menschheit, die sich einbildet, alles hänge von ihrem Wohlwollen ab.