Prozess um „racial profiling“ durch die Polizei vor dem Verwaltungsgericht Hamburg
„Racial profiling“ ist für jene, die es betrifft, der Normalfall. Als Schwarzer und Schwarzkopf muss man täglich damit rechnen, angefeindet zu werden. Vor Jahrzehnten bestand ein gewisser Schutz darin, dass die Betreffenden sich in ihrer Community verkrochen. Integration war kein Begriff, und jene, die der Mehrheitsgesellschaft als Fremde galten, blieben weitgehend unter sich. Die Mehrheitsgesellschaft gibt es nicht mehr; die Gesellschaft ist in diverse Parallelgesellschaften aufgesplittert, die zunehmend mühsamer einen gemeinsamen Nenner finden können.
Zuletzt wurde die „Ausländerkriminalität“, die seit Jahrzehnten zum Hetz-Repertoire von Neonazis gehört, als „Clan-Kriminalität“ veredelt von Polizei und Politik in den seriösen Medien platziert. (→ Einsickernde Hetze) Straftaten, die Randgruppen zugeordnet werden können, sind für die so genannte Mitte der Gesellschaft stets bekömmlicher gewesen als jene Delikte, die von ihr selbst begangen werden. Wirtschaftskriminalität, deren Zustandekommen auf korrupte Netzwerke aus Banken. Behörden und Politik angewiesen sind, werden sowohl seltener verfolgt wie öffentlich bekannt gemacht als Straftaten mit weitaus geringerer gesellschaftlicher Schadenssumme, die von sozial Schwachen begangen werden. Verbrechen sind kein Privileg von Ausländern und Armen, weder aber von Politik und Publizistik lieber so behandelt.
Bezeichnend, dass das „racial profiling“ der Polizei in Deutschland erst in diesem Jahr durch Vorfälle in den USA überhaupt auf die Tagesordnung kam. Die Presse, deren Wahrnehmung von Kriminalität fast ausnahmslos aus dem Nachplappern dessen besteht, was ihr die Pressestellen der Polizei vorsagen, hatte dieses Phänomen ebenso konsequent ignoriert wie sie über die Lebensbedingungen der Betroffenen nie ein Wort verliert oder sich bestenfalls in Klischees ergeht, die ihrer bürgerlichen Leserschaft munden.
■
Vor dem Verwaltungsgericht Hamburg findet seit August 2020 ein Prozess wegen „racial profiling“ statt. Mit Unterstützung des „European Center for Constitutional and Human Rights“ hat der 35-jährige Barakat H. (Foto) zum zweiten Mal die Stadt Hamburg verklagt. Bereits 2017 hatte das Gericht befunden, dass die Polizei sich bei einer verdachtsunabhängigen Kontrolle des Mannes aus Togo rechtswidrig verhalten hatte.
Siehe den Bericht vom Verhandlungstag am 20. Oktober 2020 im → Neuen Deutschland.
■
Die völlig anlasslose Kontrolle ist auch auf St. Pauli rechtswidrig, urteilte das Verwaltungsgericht am 10. November. In seinem Urteil ging es nicht darauf ein, dass der Kläger mutmaßlich seiner Hautfarbe wegen ins Visier der Polizei geriet. → hamburg.de
1 Pingback