Die Geschichten des Johann oder Hans Partisch zwischen 1879 und 1895 in Drochtersen und Stade sowie Oldenburg in Oldenburg

Pastor Riechelmann war angetan von seinem Untermieter: Ein gebildeter junger Mann von ausgesuchten Manieren, mit dem sich trefflich über theologische Themen disputieren ließ.

Dem Pastor war schwerlich entgangen, dass seine Nichte Marie Gefallen an dem Jüngling fand. Ein paar Mal schon hatte er die beiden beim Händchenhalten überrascht. Wenn Marie den Lehrer wollte – er würde sie segnen.

Zwar war der Untermieter nicht von hier, und man hörte ihm deutlich an, wo er herkam. Aber sein Wiener Schmäh hatte die Bewohner des Bauern- und Elbfischerdorfs Drochtersen in Kehdingen rasch bezaubert. Im Herbst 1879 hatte Hans Hubertus Partisch sein Amt an der »höheren Volksschule« angetreten.

Seinen Angaben nach, belegt durch Zeugnisse, war er Sohn eines Professors in Wien, hatte an berühmten Universitäten studiert und als Haus- und Privatlehrer gearbeitet.

Bevor er in Drochtersen Station machte, hatte er bereits eine Privatschule gegründet, besagten seine Unterlagen, in denen Behörden ihm bescheinigten, dass er »sich dienstlich und außerdienstlich gut geführt und während der kurzen Zeit, in der er hier fungierte, Tüchtiges geleistet« habe.

Für seine vorgeblich 23 Jahre ein weiter Weg, der den Landhonoratioren imponierte.

Erst im Licht seiner weiteren Karriere erscheint der so smarte wie strebsame Partisch an der Rektorschule von Drochtersen am rechten Ort. An diesem privaten Institut waren die Lehrer nicht fest angestellt und bezogen keine Pension, die Schulleiter hatten zumeist kein Staatsexamen abgelegt, die besten Pädagogen waren ehemalige Feldwebel.

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Eine Chronik vermerkt schlicht, dass »vielfach nur gescheiterte Existenzen an dieser Schule tätig waren«. Einer verschwand in den großen Ferien mit der Kegelkasse auf Nimmerwiedersehen nach Amerika.

Hans Partisch jedoch glänzte durch Bildung, Fleiß und Disziplin. Einen Besseren finden wir nicht, frohlockten die Drochterser und ernannten ihn flugs zum Schulleiter. Mamsell Marie himmelte ihn an, der Pastor schätzte ihn wie einen Sohn.

Doch den Umworbenen hielt es nicht, er blieb kein Jahr. Des Pastors Nichte als Ehefrau mit sich zog er nach Stade, um Nachmittagsprediger und Schullehrer zu werden.

Die überschwänglichen Zeugnisse, die ihm die Drochterser ehrlicherweise ausgestellt hatte, sowie die gefälschten, die er dort vorgelegt hatte, genügten Partisch nicht. Aus dem Schreibpult des Onkels Pastor ließ er einen Satz leerer Briefbogen und Amtssiegel der Kirche mitgehen.

Zu seiner Ausstattung als Amtsanwärter gehörte auch ein neuer Geburtsschein, der den mittlerweile 19-Jährigen um sechs Jahre altern ließ. Dass sein Vater in Wien nicht Professor sondern Hausbesorger gewesen war, störte die akademische Vorspiegelung – warum aber verbarg er seinen Vornamen Johann Evangelist? Seine katholische Konfession, die er nie abgelegt hatte, wäre allerdings hinderlich gewesen bei einer Laufbahn als evangelischer Theologe.

Vom Diebstahl aus seiner Schublade erfuhr Pastor Riechelmann erst frühestens 1894, als die Zeitungen über den Prozess gegen Partisch berichteten – wenn denn genauere Kunde je nach Kehdingen drang, wo über kriminelle Vorkommnisse nur die amtlichen Bekanntmachungen im Intelligenz-Blatt gedruckt erhältlich waren.

Partisch in Drochtersen (Zeichnung: urian)

Ein Blatt ernannte ihn zum »Cagliostro des 19. Jahrhunderts« – doch als bedeutender Hochstapler kann er nur in Drochtersen, Stade und in der Residenzstadt Oldenburg im Oldenburgischen gelten, wo er im April 1895 vor der Strafkammer des Großherzoglichen Landgerichts seinen letzten überlieferten Auftritt hatte.

Im neuen Amt in Stade verfasste Partisch eine Schrift, nannte sie Dissertation, ließ sie drucken und führte seither den Titel eines Doktors der evangelischen Theologie. Bald zog es ihn fort, das Druckwerk und Zeugnisse vorgeschickt, zur letzten bekannten Station.

12 Jahre hielt es es aus und wäre gern länger geblieben: auf einer mit 3000 Mark im Jahr gut dotierten Pfarrstelle an der Lambertikirche in Oldenburg. Am 19. November 1882 wurde er in sein Traumamt eingeführt.

Seine feurigen Predigten machten ihn zum Liebling der Kirchgänger; die Großherzogin lobte ihn in einem begeisterten Brief an seine Eltern. 1888 betrieb Partisch die Gründung eines »Damenheims«, aus der eine Diakonissenanstalt werden sollte. Für den Vorstand gewann er namhafte Persönlichkeiten. Man zahlte ein Haus für das Stift an.

Ein Betrug im folgenden Jahr, der erst in Prozess entdeckt wurde, blieb mysteriös: Partisch ließ Anzeigen drucken, in denen sein vermeintlicher Bruder, Universitätsprofessor Dr. Alexander Theodor P., den Tod des Vaters mitteilt, des Dr. Anton Richard P., Professor a. D. an der Universität und orientalischen Akademie, Ritter des eisernen Kronenordens erster Klasse.

Hat er am nächsten Sonntag besonders ergreifend über eine Bibelstelle gepredigt, die seinen Schmerz illustrieren sollte? Ließ etwas ihn fürchten, dass seine Täuschungen brüchig wurden? Wünschte die enthusiastische Großherzogin den berühmten Vater kennen zu lernen?

Pastor Dr. Partisch war mittlerweile 30 und höchst angesehen, als er am 2. Oktober 1890 einen verhängnisvollen Brief schrieb: Er bat den in Oldenburg geborenen, im Ausland zu Geld gekommenen Kaufmann Janßen um eine Spende für das »Damenheim«.

Janßen grüßte die Heimat und schickte 20.000 Mark, die Partisch auf der Bank deponierte und durch mehrere Abhebungen in zwei Jahren durchbrachte. Die letzten 7000 Mark gab er an das Stift als eigenes Geld weiter.

Zwischenzeitlich hatte Partisch das Konto aufzufrischen versucht und von Kaufmann Janßen weitere 2000 Mark erschwindelt. Dem Gönner in der Ferne machte er vor, dessen Porträt hänge im Schwesternsaal und trage die Unterschrift: »P. W. Janßen, Mitbegründer und Wohltäter unseres Mutterhauses, 1891, November 24.«

Die Angelegenheit ruhte, bis Partisch im Sommer 1894 unangemeldeten Besuch erhielt: Ein Verwandter Janßens wollte das Stift und das Porträt besichtigen. Es gab keinen Schwesternsaal, in dem das Gemälde feierlich enthüllt hätte werden können, keine Damen in dem Haus, dessen Kaufpreis nie bezahlt worden war.

Der Abgesandte aus dem Ausland erstattete Anzeige, Partisch floh – gen Italien. Nach wenigen Monaten wurde er, mittellos und krank, in Venedig aufgegriffen und zur Gerichtsverhandlung nach Oldenburg geschafft.

Johann Partisch (Zeichnung

Sucht nach Geltung mehr denn als nach Geld, Titelsucht zumal hatten Partisch selbst verblendet und seine Zeitgenossen getäuscht. Am Ende war ihm auf dem Gipfel des Hochmuts schwindlig geworden.

Er wurde zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt und hat danach nie mehr von sich reden gemacht. Oder unter anderem Namen. Einen Ruf behielt er in der psychiatrischen Fachliteratur, die seine Betrügereien als Muster eines Syndroms zitiert.

Literatur: F. Drewes, Drochtersen, Drochtersen 1977; U. R. in Hamburger Abendblatt 23.1.1996; Kreiszeitung Syke 12.9.2009; Elses Lachen, Bremen 2009

© Uwe Ruprecht

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