Stader Tageblatt: Unsere tägliche sportliche Selbstbespiegelung gib uns heute
Der Chefredakteur der Lokalzeitung macht eine Reise, um den Fußball-Bundestrainer zu interviewen und dann darüber zu schreiben, dass er es getan hat. Ein Redakteur beschreibt, wie er zum ersten Mal mit einem Bogen schießt. In der Reihe mit Fotos und Zitaten »gewöhnlicher Bürger« (»Hallo, wie geht’s?«) wird zwei Mal kurz hintereinander ein (Sport-)Redakteur mit seinen Ansichten vorgestellt.
Die meisten Berichte, die diese Presse-Darsteller selbst schreiben und nicht von Polizei, Behörden, Pressestellen etc. kopieren, betreffen Sport. Muss ein angenehmes Leben sein, sich gegen hohes Gehalt mit sich selbst und seinem Hobby zu beschäftigen und diesen Murks den Lesern als Journalismus zu verkaufen.
Können die Einnahmen aus dem Verkauf des Blattes überhaupt ausreichen für dieses kostspielige Hobby der Maßgeblichen Dreihundert von Stade, eine überflüssige Tageszeitung?
17. März 2019
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Siehe auch → Untergangssignale
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Im Sport und der Selbstdarstellung ist die Pseudo-Presse immer auf dem Laufenden, bei allem anderen eher nicht. Heute, 21. März 2019, lese ich vom neuen freien WLAN in der City of Buxtehude. Seltsam. Ich war vor zwei Wochen dort und habe, wie aus Stade gewohnt (→ WLAN-Tankstellen in Stade), die Anschlüsse an ein freies WLAN gecheckt und das Netz, das mir in der Zeitung als frisch verkauft wird, gefunden. Der Artikel dient diesmal offenbar nicht der redaktionellen Selbstdarstellung sondern der Eitelkeit anderer. Damit das nicht allzu sehr auffällt, wird ein bisschen getrickst. Gehört zum Geschäft. Und ist nur eine Nuance von den Fake-News entfernt, die selbstverständlich nur die anderen produzieren. Redlichkeit ist unteilbar wie Schwangerschaft. Ein bisschen ist wie nichts.
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»Ohne Berichtspotenzial kann nichts berichtet werden, so ist das nun einmal«, schreibt der Chefredakteur am 23. März 2019. Er versucht zu erklären, wie sein Blatt es mit Wahlkampfberichterstattung hält: es arbeitet eben nur ab, was andere ihm vorlegen. Über das »Berichtspotenzial« entscheidet nicht der Journalist aus eigener Verantwortung, sondern er lässt sich von anderen mal hierhin, mal dorthin treiben.
Oder doch nicht? »Wenn aber beispielsweise die AfD nächsten Mittwoch zu einem Infoabend einlädt, bei dem Mitglieder des Kreisvorstandes zum Thema ›Europa der Nationen, Landwirtschaft, Klima und Energie‹ reden, sind wir nicht dabei. Das hat nichts mit der AfD zu tun, aber was Kreisvorstände zu Europa sagen, halten wir für nicht berichtenswert.« Und warum nicht? Wessen Äußerungen zu Europa im Europawahlkampf sind der Redaktion stattdessen genehm? Worin besteht der Unterschied im »Berichtspotenzial« zwischen einer AfD-Veranstaltung und einer als Podiumsdiskussion maskierten Wahlkampfveranstaltung der CDU?
Was als Erklärung daher kommt, verdunkelt seinen Gegenstand. Statt die Kriterien für seine Arbeit offen zu legen, demonstriert der Chefredakteur die Verschleierungsstrategie, mit der er auch bei dem vorgeht, was er als Berichterstattung ausgibt. Seine Adressaten, die Leser, auf die es ihm ankommt, die Herrschaften aus seinen Kreisen und seine Geschäftspartner, verstehen ihn schon. Als uneingeweihter Leser kann ich nur ahnen und raten und den Unrat riechen, aber nicht sehen: die Verpflichtungen des »unabhängigen« Berichterstatters.
Es ist nicht zu wünschen, aber ich würde gern lesen, was die Zeitung schreiben wird, wenn die AfD nicht mehr als Paria gilt, sondern in die maßgeblichen Kreise vorgestoßen sein wird. Ich muss keine Wette eingehen, dass dem Chefredakteur, der mit Fußball-Bundestrainern Umgang hat, die Einlassungen von AfD-Kreisvorständen zu Europa dann nicht mehr zu piefig sind.
Und wenn man schon keinen Artikel einplant zu dem Meeting in einem Gasthaus, sollte man nicht dennoch wissen, was die Europa-Feinde von sich geben? Journalistische Sorgfaltspflicht gewissermaßen? Recherche, schon mal gehört? Journalisten, die lediglich einen Terminkalender abarbeiten, kennen das nicht: man besucht Veranstaltungen und trifft Leute, ohne postwendend darüber zu publizieren. Man sammelt Stimmen, Eindrücke, Material; man macht sich ein eigenes Bild statt die Satzbausteine zu montieren, die andere einem bei einer Pressekonferenz in die Tastatur diktieren.
Man schaut sich eine AfD-Veranstaltung an, um zu wissen, wie die Partei tickt. Der Termin, den das Stader Tageblatt auslässt, werde ich auch nicht wahrnehmen, weil er an einem für mich als Nicht-Autofahrer unerreichbaren Ort angesetzt ist. Das immerhin wäre eine journalistische Frage: Warum trifft sich die AfD in dieser entlegenen Lokalität und nicht an den dafür vorgesehenen Orten, wo auch die anderen Wahlkampf machen?
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