Als ich das Haus zum ersten Mal betrat, war klar, dass ich nichts sagen, nichts bemerken und mir nichts anmerken lassen würde über das dort verübte Verbrechen.

Ich war dem Bewohner von einem gemeinsamen Bekannten vorgestellt worden. Der hatte es gut gemeint und dabei einen Fauxpas begangen. Mich hatte er als Verbrechensversteher eingeführt und den anderen als Verbrechensopfer dargestellt. Das darauf folgende Schweigen besagte mir genug. Von der Verbindung, die dem gemeinsamen Bekannten aufdringlich erschien, war nie mehr die Rede. Ich war zwar neugierig geworden und machte mich kundig, nahm aber hin, dass mein neuer Bekannter keine Fragen hören wollte.

Mehrere Jahre ging ich in dem Mordhaus ein und aus; einen Monat lang wohnte ich sogar darin. Die Gespräche mit dem Bewohner drehten sich nicht nur, aber am häufigsten um die Begehung, Verarbeitung, Folgen und Wiederholung von Verbrechen. Diese Koinzidenz war so wenig ein Zufall wie meine häufigen Aufenthalte, und sie stand, wie nicht zu verkennen war, im Zusammenhang mit dem Verbrechen, über das an seinem Tatort nicht geredet wurde.

Über Spukhäuser

Das Spukhaus gehört zum festen Bestand des Horror-Genres. Meist ist es der Geist eines vergangenen Verbrechens, das den Bewohnern keine Ruhe lässt, als würden die Mauern Angst ausdünsten. Blutiges Geschehen hat dem Gebäude eine unwiderstehliche Aura verliehen, das immer neue Opfer fordert.

Oft ist das Spukhaus verrufen; es steht leer und wird gemieden oder gerade so lange bewohnt, um darin zu sterben. Reale Mordhäuser gibt es mehr, als gemeinhin bewusst wird, und sie werden bewohnt, ohne dass je von einem Fluch die Rede sein muss.

Eine Art von Verhängnis verbindet sich unbedingt mit einem Tatort, wenngleich es keineswegs zwangsläufig mörderisch sein muss wie in der Schauerstory. Der Genius loci kann oder kann nicht unwillkürlich entstehen; gewiss aber bildet sich eine Aura, sobald man um ihr Möglichsein weiß.

Gewöhnlich kennt man die Geschichte der eigenen Behausung kaum, zumal wenn es sich um eine Mietwohnung handelt. Wer staatliches Wohngeld beantragt, muss Fragen beantworten, die er sich nie gestellt hätte, etwa nach dem Baujahr des Hauses. In der Hamburger Kunsthalle macht eine Assemblage von Christian Boltanski auf diese Lücke aufmerksam. Der französische Künstler sammelte die Spuren einer Vorbewohnerin: die Fragmente der gewöhnlichen Geschichten, die üblicherweise unsichtbare oder unwahrgenommene Abdrücke hinterlassen.

Außergewöhnliche Vorkommnisse wie ein Verbrechen prägen sich hingegen der Wahrnehmung eines Ortes ein – und sei es nur als Schauder wie in der Gruselgeschichte, der einen zurück schrecken und Abstand nehmen lässt von einer Erkundung, wie es sich tatsächlich mit Aura oder Fluch der Mordstätte verhält.

Wie schwierig es ist, den Beziehungen einer Tat auf ihren Ort nachzuspüren, zeigt eines der seltenen Bücher in deutscher Sprache, die vorgeben, es zu tun. Serienmörder im Europa des 20. Jahrhunderts von Jens Haberland versammelte vor 20 Jahren Reiseberichte eines Mordhaus-Touristen. Die Abbildungen von Hausfassaden und Straßenansichten teilen nicht mehr mit als den Schauder, den sie unterstellen und der im Übrigen mit keinem Satz begründet oder abgeleitet wird. Die Kollektion realer Tatorte nährt sich von der durch Spukhaus-Fiktionen genährten Erwartung. Ob und wie einem echten Mordhaus eine Aura oder ein Fluch eignet, bleibt unhinterfragt.

An einem echten Tatort

Nicht etwaiger atmosphärischer Schwingungen wegen, sondern um Sachverhalte, die ich durch die Worte anderer kennen gelernt hatte, mit der Realität eigenen Augenscheins abzugleichen, suchte ich stets die Schauplätze der Verbrechen auf, mit denen ich mich befasste. Oft genug ergab sich daraus eine Berichtigung dessen, was bei historischen Taten den Schriften nach und bei aktuellen dem Wortlaut der Gerichtsverhandlung nach unzweifelhaft erschien. Öfter noch wurde ich auf Zusammenhänge aufmerksam, die mir durch bloßes Lesen und Zuhören entgangen wären.

Dabei musste ich manches Mal zwischen meiner Neugier und der Seelenruhe anderer abzuwägen. So begnügte ich mich mit Fotos von außen, als ich das Mietshaus aufsuchte, in dem 1934 eine Frau ermordet worden war, und feststellte, dass auch der Schuppen noch stand, in dem die Leiche verscharrt worden war, bis sie ausgegraben und durch die Nacht gekarrt wurde, um auf einem Acker wieder begraben zu werden. Ich hatte mich bereits in der Nachbarschaft umgehört und niemandem gefunden, dem das Verbrechen etwas sagte. Zeitzeugen fand ich noch, aber eben nicht in Tatortnähe.

Seit der Verurteilung des Täters 1936 hatten ungezählte Mieter die Mordwohnung bezogen und darin gelebt, ohne ihre Geschichte zu kennen. Meine Erwartung auf Erkenntnisgewinn, wenn ich versuchen würde, mir die Küche anzuschauen, erschien mir zu gering, um die Verstörung der vermutlich unwissenden Bewohner zu verantworten, die ich dazu in die Geschichte verwickeln müsste.

Ich klingelte nicht an der Tür und verzichtete bei meinen Publikationen auf die Nennung der Hausnummer. So gut ich das Bedürfnis von Mordhaus-Touristen nachvollziehen kann, so genau weiß ich, dass sich allein aus dem Anblick eines Schauplatzes nichts ergibt, das man nicht hinein gelegt hätte. Natürlich war es möglich, dass die Küche, auf deren Besichtigung ich verzichtete, über eine Aura verfügte, und die Bewohner sie verspürten, ohne ihren Ursprung zu ahnen. Und ich hätte, weil ich dem nicht nachging, eine Gruselgeschichte verpasst. (→ Die Leiche im „Schweinemagen“)

Dass jemand, der sich dem Verständnis von Verbrechen verschrieben hat, dem Einfluss einer bestimmten Straftat auf sich eine besondere Bedeutung beimisst, besagt nicht viel, sondern scheint nur selbstverständlich. Doch gehörte das Verbrechen, das solchen Schlagschatten warf, eben nicht zu denen, mit denen ich mich eingehend und um seinetwillen befasste, sondern es entfaltete seine Wirkung indirekt.

Ich kenne keine einschlägige Untersuchung und habe keine Theorie über den Nachhall eines Verbrechens in den Räumen, in dem es begangen wurde, sondern nur Betrachtungen beizutragen zu jenem Mordhaus, dessen Aura oder Fluch ich bezeugen kann. Und nicht nur ich.

Der Nachhall betrifft etliche andere, die nicht ahnen und spontan bezweifeln würden, dass am Ursprung dessen, was ihnen greifbar ist, ein Verbrechen steht. Als Verbrechensversteher bin ich nicht unbedingt empfänglicher für den Einfluss, aber aufmerksamer für seine Quelle.

Zeichnung: urian

Kapitel der Kriminalgeschichte

Bei meiner Schilderung werde ich diskreter sein als die Zeitungen, die vor 45 Jahren weitaus mehr mitgeteilt haben, als seither in den Medien üblich wurde. Unlängst habe ich auf diesem Blog die Publikationen zu einem in mehrfacher Hinsicht ähnlichen Fall zusammengefasst und kommentiert und könnte die Differenz im Einzelnen belegen. Keineswegs nur, weil heute mit Persönlichkeitsrechten sorgsamer umgegangen werden muss, sind aktuelle Kriminalberichte dürftiger und pauschaler als die historischen. (→ Der Räuber als Bekannter)

Damals schöpften die Berichterstatter aus mehreren Quellen; gegenwärtig wiederholen sie lediglich bis auf den I-Punkt, was ihnen von der Polizei vorgeschrieben wird, nicht indem sie es verordnet, sondern indem „Journalisten“ sich begnügen und ihren Berufsalltag damit verbringen, die Texte eines Pressesprechers zu kopieren. Die genaue Adresse des Hauses ist allerdings ebenso ohne Belang für das Geschehen wie die vollen Namen der Beteiligten.

Als „eines der erregendsten Kapitel in der norddeutschen Kriminalgeschichte“ markierte die BILD ihre Geschichte „Spur Nr. 120 führte zum Doppelmörder“. Das trifft zumindest nicht bei der juristisch korrekten Benennung der Delinquenz zu. Alfred A. wurde am 16. November 1973 für Totschlag in einem besonders schweren Fall, fahrlässiger Tötung und versuchten schweren Raubes verurteilt. Kein Doppelmord also – aber zwei durch Schüsse aus A.s Waffe ausgelöschte Leben. Woran das Gericht eine „fahrlässige Tötung“ erkannt haben wollte, erschließt sich aus den Prozessberichten nicht. Über diese Einschätzung kann man sich bei dieser Kriminalgeschichte allerdings erregen.

Zwei Schüsse

Stade am Montag, den 6. November 1972. Gegen 19 Uhr klingelte es an der Tür des Hauses Nummer 7. Drei Personen hielten sich darin auf: das Ehepaar Walter, 51 Jahre, und Hildegard, 52, sowie Anna, Walters 80-jährige Mutter. Sie war in ihrem Zimmer im Obergeschoss, hörte Lärm und öffnete die Tür.

„Da stand ein junger Bengel mit langen Haaren vor mir. Plötzlich knallte es unten zwei Mal und jemand rief um Hilfe“, wurde die Großmutter am 7. November im Stader Tageblatt zitiert.

„Was ist los?“, fragte sie.

„Seien Sie ruhig, sonst knallts“, erwiderte der junge Mann und hielt ihr eine Schusswaffe vor die Brust.

Er dirigierte sie die Treppe hinunter, ließ sie in der Diele stehen und verdrückte sich aus dem Haus.

Im Keller fand die Greisin ihren verletzten Sohn. Die Schwiegertochter war auf dem Gehweg vor dem Haus zusammen gebrochen.

Zeichnung: urian
Haus Nr. 7

Zwei Tote

Die Harburger Anzeigen und Nachrichten schrieben von einem „mysteriösen Mordanschlag“, die BILD von einem „rätselhaften Mordversuch“. „Wir haben viele Theorien. Aber nicht eine einzige heiße Spur auf die Verbrecher“, ließ sich der Chef der Mordkommission vernehmen.

„Pistolenmänner“ wurden die Täter in der Hamburger Morgenpost genannt. Ein Irrtum: die „Pistolenschüsse“ stammten aus einem Trommelrevolver. Bei der zweiten Waffe, mit der der „Bengel“ ausgerüstet war, aus der nicht gefeuert wurde, handelte es sich um einen Gasrevolver mit aufgebohrtem Lauf.

Walter erlag am 7. November seinen Verletzungen. Seine Frau starb zehn Tage nach der Tat.

Über das Motiv des Überfalls rätselte die Polizei nicht sehr lange. Zutreffend nahm sie ein Verbrechen an, das es heute nicht mehr gibt, bis dahin aber Konjunktur hatte und vielfach von Fernsehdrehbuchautoren ausgemalt worden war. Walter leitete die Filiale einer Bank in Buxtehude, und die Täter hatten die Herausgabe des Tresorschlüssels von ihm erpressen wollen.

Die Polizei verfügte zwar über ein wie sich zeigte getreues Phantombild des Haupttäters, und Hildegard hatte auf dem Sterbebett weitere, zunächst geheim gehaltene Angaben machen können. Aber die Fahndung lief lange ins Leere.

Im Nebel

Das getötete Ehepaar hinterließ drei Kinder. Die 24 und 19 Jahre alten Söhne lebten nicht mehr bei den Eltern; allerdings war der Jüngere nach damaligen Recht noch nicht mündig und wurde wie seine 14-jährige Schwester der Aufsicht des Jugendamtes unterstellt. Dem Schicksal der Tochter, die zur Tatzeit zufällig außer Haus war, widmete das Stader Tageblatt zahlreiche Zeilen und startete einen Spendenaufruf zu ihrer Unterstützung.

Unterdessen stocherte die Polizei im Nebel. Die Ausstrahlung des Falls in der TV-Fahndungssendung Aktenzeichen XY brachte nichts ein. Den Durchbruch erzielten die Kriminalbeamten, als sie alte Akten durchsahen.

Im Oktober 1972 waren in einer nebligen Nacht im Alten Land an der Unterelbe bei Hamburg zwei Autofahrer aneinander geraten. Ein 22-Jähriger aus Buxtehude, der einen Freund heim brachte, fühlte sich verfolgt, und er wurde mit den Scheinwerfern angeblinkt. Er hielt und verließ seinen Wagen. Aus dem anderen Fahrzeug stiegen zwei Männer mit „Revolvern“.

„Das Blinken ist doch Blödsinn bei dem Nebel“, will der Buxtehuder zu den Fremden gesagt haben. „Das Blinken ist eine Begrüßung“, soll ihm geantwortet worden sein. Von einem der Fremden wurde der Buxtehuder an den Hals geschlagen und aufgefordert: „Steig ein!“

Als der Angegriffene Anzeige erstattete, konnte er der Polizei mit dem Auto-Kennzeichen dienen. Die Wohnung des Halters in Hamburg wurde durchsucht, aber keine Waffen gefunden.

Der Fahrzeughalter, ein Taxifahrer, wurde erkennungsdienstlich behandelt und verhört. Sein Foto sollte von der Kriminalpolizei in Stade dem Anzeigeerstatter vorgelegt werden. Drei Tage vor den Schüssen in Haus Nr. 7 traf die Akte ein. Aber der 22-Jährige aus Buxtehude erschien nicht bei der Polizei, die sich um die Causa nicht weiter kümmerte.

Zwei Versuche

Im Februar 1973 ging es dann sehr schnell. In dem Foto des verdächtigen Taxifahrers erkannten die Ermittler das Phantombild des Todesschützen von Stade. Zugleich mit Alfred A., 41, wurde sein Komplize verhaftet, ein 20-jähriger Kellner aus Österreich, der mit der 15-jährigen Tochter des Taxlers verlobt war, die ein Kind von einem anderen erwartete.

Zeichnung: urian
Alfred A.

Die beiden hatten den Bankfilalleiter wochenlang ausgespäht und ihn auf dem Weg zwischen dem Arbeitsplatz in Buxtehude und dem Haus in Stade verfolgt. Sie sollen gehört haben, wie er in einer Gaststätte auf die schwarze Aktentasche klopfte, die er immer bei sich hatte, und sagte, darin befände sich der Schlüssel zum großen Geld.

Ein erster Überfall wurde abgebrochen. Der Taxifahrer und sein Schwiegersohn in spe klingelten am Freitag, den 3. November 1972, an der Tür von Nr. 7 und stellten sich als Versicherungsvertreter vor. Aber der Banker, mit dessen Lebensgewohnheiten sie sich vertraut gemacht hatten, war gar nicht da. Auch nicht beim zweiten Mal an diesem Abend, als sie von der Ehefrau an der Tür abgewiesen wurden.

Am folgenden Montag kam der Hausherr selbst zur Tür. Der „Bengel“ drückte sich an ihm vorbei, um die Großmutter im Obergeschoss in Schach zu halten. In der Diele fielen Schüsse. Alfred A.s Aussage zufolge „lösten“ sie sich „von selbst“.

Seiner Darstellung einer „Rangelei“ mit dem Hausherrn, bei der dieser die Waffe an sich gebracht und quasi aus Versehen selbst erschossen habe, widersprachen die Feststellungen zum Verlauf des Schusskanals. Den Schuss auf die Ehefrau wollte der Angeklagte überhaupt nicht richtig mitbekommen haben.

Urteilsbildung

Beim Prozess ein Jahr nach der Tat veranstaltete das Gericht etwas, wozu sich die chronisch überlastete Justiz heute nur äußerst selten hinreißen lässt: einen Lokaltermin am Tatort. „Unklarheit herrscht noch immer über den Augenblick, in dem die Schüsse fielen“, bilanzierte das Stader Tageblatt am 14. November 1973.

Daran hat sich nichts geändert. Wie es zu dem Schuss auf den Ehemann kam, blieb das Geheimnis des Angeklagten. „Wer einem Menschen in den Leib schießt, muss mit der Möglichkeit rechnen, dass die Verletzung tödlich ist, auch wenn er sein Opfer nur kampfunfähig machen will“, stellte der Vorsitzende Richter am Landgericht Stade in seiner mündlichen Urteilsbegründung am 16. November 1973 heraus.

Bei dem Schuss auf die Ehefrau hielt man sich an die Aussage der Sterbenden: Alfred A. hatte ohne Anlass auf sie gefeuert – und nicht, wie er behauptete, weil sie ihn angriff. Das Gericht billigte dem Angeklagten gleichwohl zu, dass der erste Schuss und das Scheitern seines Überfalls ihm eine „Bewusstseinsstörung“ beschert haben könnten, während der er die Frau tötete. Statt zu Totschlag in einem besonders schweren Fall wie für den Tod des Mannes wurde Alfred A. im Fall der Frau nur für fahrlässige Tötung verurteilt.

Unterm Strich fiel die Strafe so aus wie sie für einen Doppelmord hätte verhängt werden können: lebenslänglich. Der nach Jugendrecht verurteilte Gehilfe wurde wegen versuchten schweren Raubes und zweifacher fahrlässiger Tötung mit fünf Jahren Haft bedacht.

Zeichnung: urian
Opfer und Täter

Bewusstseinslagen

„Fahrlässig“ charakterisiert dieses Verbrechen. Der scheinbar gut geplante und vorbereitete Überfall scheiterte zwei Mal im Vorlauf und endgültig blutig, sobald das anvisierte Opfer in Erscheinung trat. Die Schusswaffen, die den Tätern die Kontrolle über das Geschehen verschaffen sollten, waren in ihren Händen nur Symbole. So leichtsinnig und angeberisch sie damit hantierten, als sie nachts im Alten Land Ärger mit einem Autofahrer suchten, fuchtelten sie damit herum, als wären sie sich nicht bewusst, den Tod in der Hand zu halten.

Die vom Gericht angenommene „Bewusstseinsstörung“ befiel Alfred A. nicht erst nach dem Schuss. Er war bereits nicht bei Sinnen, als er sich eine Waffe zulegte. Er war sich deren Macht offenbar so wenig bewusst, dass er, statt sie wie vorgesehen zur Bedrohung einzusetzen, damit los ballerte, sobald es ernst wurde. Der Überfall war vorbei, bevor er begonnen hatte. Zwei Tote; und zwei Täter, die in Panik flohen. An die Aktentasche mit dem Tresorschlüssel, der ihre Gier geholten hatte, dachten sie nicht mehr.

Der jüngere Sohn der Toten engagierte sich in einer Organisation, die sich um die Belange überlebender Opfer des Nationalsozialismus kümmert und sorgte sich um das Gedenken an die NS-Verbrechen. Im Zusammenhang damit und der Beobachtung neonazistischer Aktivitäten war ich Gast im Mordhaus und betrat hunderte Male die Diele, in der Blut geflossen war.

Auf gewisse Weise sind alle Verbrechen sinnlos. Dieses war geradezu blödsinnig. Eine bemerkenswerte Wendung, dass an seinem Tatort mehr für die Erinnerung an die Gräuel der deutschen Geschichte getan wurde, als an irgendeinem anderen Ort der Stadt, das Rathaus inklusive. Dass hier versucht wurde, Verbrechen Sinn zu verleihen.

© Uwe Ruprecht

Siehe auch → Pitavalgeschichten. Eine Übersicht des Genres »Wahre Kriminalgeschichten« oder »True Crime«

Kriminalgeschichten