Der Architekt prägte den Wiederaufbau Hamburgs nach dem Großen Brand
Das wichtigste Ereignis der Hamburger Architekturgeschichte im 19. Jahrhundert war eine Katastrophe. Am Himmelfahrtstag, dem 5. Mai 1842 brach in der Deichstraße ein Feuer aus. Als es am 8. Mai erlosch war mehr als ein Viertel der Bausubstanz zerstört.
Das Unglück wurde für eine Modernisierung der 150.000 Einwohner zählenden Stadt genutzt. Die Wasserversorgung wurde verbessert und eine Gasbeleuchtung installiert. Der englische Ingenieur William Lindley (1808–1900) leitete die Neugestaltung. Maßgeblich für die später so genannte „Nachbrandarchitektur“ war Alexis de Chateauneuf.

Sein Vater war französischer Gesandter gewesen und 1794 vor der Revolution nach Hamburg geflohen, wo er seine Existenz als Buchhändler bestritt und eine Einheimische ehelichte. Er starb wenige Monate, nachdem sein Sohn am 18. Februar 1799 geboren worden war. Die Mutter heiratete erneut, einen Buchdruckermeister. Der junge Alexis machte eine Zimmermannslehre und besuchte die Abendschule von Carl Ludwig Wimmel, der 1841 zu Hamburgs erstem Baudirektor ernannt wurde. Zwischen 1818 und 1822 studierte Chateauneuf in Paris und Karlsruhe.
Außerdem unternahm er Reisen nach Italien und Griechenland, um die antike Baukunst kennen zu lernen, die seit dem Ende des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts als vorbildlich galt. Der Klassizismus, der vor allem die Formen des griechischen Tempels aufgriff, war mit seiner strengen Schlichtheit eine Gegenbewegung zur verspielten Vielfalt der vorherigen Epochen des Barock und Rokoko.
Erstes Aufsehen erregte Chateauneuf bereits als 22-Jähriger, indem er einen Entwurf für die Singakademie in Berlin einreichte und damit in Konkurrenz trat zum Platzhirsch in der preußischen Metropole, dem Oberbaurat Karl Friedrich Schinkel. In Hamburg machte er sich einen Namen durch ein Gutachten für den Bauplatz eines neuen Theaters. In der 1822 vorgelegten Schrift ging er nicht nur auf ästhetische Aspekte ein, sondern berücksichtigte auch die Erfordernisse von Verkehr und Wirtschaft und wies sich damit als Städteplaner aus.
Als typisch hamburgisch wird seit den 1920er Jahren die Backsteinarchitektur angesehen. Fritz Schumacher und Gustav Oelsner errichteten ganze Siedlungen in diesem Stil. Rote Ziegel waren seit dem 12. Jahrhundert verwendet worden – aber die Frontseiten der Häuser wurden weiß verputzt und lediglich die Rückseiten zu den Fleeten hin blieben unverkleidet. Chateauneuf brach mit dieser Tradition und erregte geradezu Anstoß mit nackten Backsteinfassaden.
„Er wollte den Backstein ohne Übertünchung wieder zu Ehren bringen, und dies mein Haus war einer seiner ersten Versuche in dieser Art“, schrieb Senator Martin Hieronymus Hudtwalcker über das Gebäude von 1826 in der ABC-Straße, das im Zweiten Weltkrieg vernichtet wurde. Daneben erbaute Chateauneuf drei Häuser, die ihm gehörten, von denen er zwei vermietete und eines zeitweise selbst bewohnte. Die Presse spottete über das „rote ABC“.

Bereits 1824 hatte Chateauneuf in Bad Oldesloe ein Beispiel dieser „Schwarzbrot-Architektur“ abgeliefert. Für den Friedhof entwarf er sein wahrscheinlich erstes, jedenfalls das älteste von ihm erhaltene Werk: ein Eingangsgebäude mit Leichenhalle und Wärterwohnung, von dem lediglich das Torhaus realisiert wurde, mit den Worten eines Architekturhistorikers ein „querrechteckiger Backsteinkörper mit flachem Giebeldach, nach allen vier Seiten mit weitem Rundbogen geöffnet“.

Tatsächlich konnte sich der Baumeister nicht immer durchsetzen, und der Backstein wurde weiß getüncht. So beim Wohnhaus des Kaufmanns Kunhardt in der Ferdinandstraße 63 und bei Chateauneufs bekanntestem Werk, den Alsterarkaden, die beide zwischen 1844 und 1846 entstanden. Der erste Entwurf für die Arkaden im „Rundbogenstil“ lag bereits wenige Wochen nach dem Großen Brand vor, als Teil einer radikalen Erneuerung des Stadtzentrums. Fleete wurden zugeschüttet, und die Kleine Alster erhielt ihre heutige rechteckige Form. Das Herzstück des Ganzen blieb jedoch 44 Jahre lang leer, und es dauerte noch einmal elf Jahre, bis das neue Rathaus endlich eingeweiht werden konnte.

Chateauneuf schuf über 130 Projekte und Bauwerke. Er arbeitete in London und in der Heimat seiner Ehefrau, einer Norwegerin, in Christiania, dem heutigen Oslo. In Hamburg haben nur eine Handvoll Bauten die Zeitläufte überstanden. Am markantesten sind die Alte Post und die wieder aufgebaute Hauptkirche St. Petri.
Für die Stiftung der Tochter des Senators Sieveking schuf Chateauneuf in St. Georg ein Armenhaus, das Amalienstift. Eine Kuriosität von seiner Hand befindet sich beim Museum für Hamburgische Geschichte, das Denkmal für Johann Georg Repsold, der astronomische Instrumente konstruierte und als Oberspritzenmeister 1830 bei einem Brand ums Leben kam.

Von seiner 20 Jahre jüngeren Frau lebte Chateauneuf seit 1848 getrennt. Im Mai 1851 vermeldete eine Zeitung, er sei in eine „Heilanstalt für Geisteskranke“ in Kiel eingeliefert worden. Die Zeitgenossen munkelten von Syphilis. Der Architekt starb am 31. Dezember 1853 im Haus seiner Mutter im Schopenstehl.
(→ bei uns, Zeitschrift der Hamburger Lehrerbau-Genossenschaft, Frühling 2022)
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