Der Hamburger Architekt war vor, während und nach der NS-Epoche erfolgreich

Wie politisch kann Architektur sein? Die Frage drängt sich auf, wenn es um Rudolf Klophaus geht. Gemälde und Bücher aus der Zeit des Nationalsozialismus verschwanden nach 1945 in der Versenkung, Skulpturen und Gebäude sind aber nach wie vor gegenwärtig. Und nicht in abgelegenen Winkeln, sondern mitten in der Stadt.

2015 wurde das Kontorhausviertel südlich der Steinstraße in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen. Es wird in Fachkreisen als „Klophausviertel“ verspottet, weil es zu großen Teilen von ihm gestaltet wurde. Drei seiner vier Bauwerke in diesem Areal stammen aus der NS-Zeit. Er selbst sei ein „Nutznießer und Profiteur“ des Regimes gewesen, befand im März 2022 eine Historiker-Kommission, die 58 Personen, nach denen Straßen und Plätze benannt sind, auf ihre NS-Verstrickung untersuchte. 1979 war dem Baumeister der Klophausring in Bergedorf gewidmet worden.

Geboren am 14. Januar 1885 bei Solingen als jüngstes von zwölf Kindern eines Arbeiters begann Klophaus mit 14 Jahren eine Zeichenlehre und bildete sich zum Architekten weiter. Seine Teilnahme am Ersten Weltkrieg endete, als er am linken Arm verwundet wurde, der gelähmt blieb. Seit 1916 arbeitete er für ein Ingenieurbüro in Hamburg; vier Jahre später machte er sich in der Hansestadt als Architekt selbständig.

Siedlung Kaiser-Friedrich-Ufer

Einer seiner ersten Aufträge waren 1921 die Wohnungen für eine Genossenschaft am Kaiser-Friedrich-Ufer in Eimsbüttel. 1923 wurde Klophaus mit der Aufstockung des Hauses der Patriotischen Gesellschaft befasst, und ab 1925 machte er aus einem 1870 errichteten Hotel am Hauptbahnhof den Geschäftssitz des Unternehmers Ernst Klockmann. Sein Büro war 1927–30 an der Großsiedlung Dulsberg beteiligt. Am Burchardplatz schuf Klophaus 1928/29 den Mohlenhof, in dem er selbst Räume bezog.

Mohlenhof

Mit seinen Kompagnons August Schoch und Erich zu Putlitz erstellte er ab 1929 einen Komplex von kleinen Wohnungen um die Straße Fiefstücken in Winterhude, die den Vorgaben von Oberbaudirektor Fritz Schumacher für „gesundes Wohnen“ entsprachen: Sie ließen sich gut lüften und boten einen Ausblick ins Grüne. Inzwischen zählte Klophaus „zu den besten der gemäßigt modernen Hamburger Backsteinarchitekten“. Im „Boardinghaus des Westens“ am Schulterblatt von 1931 konnten Wohnungen mit oder ohne den Service eines Hotels gemietet werden.

Siedlung Fiefstücken

Und dann kamen die Nazis an die Macht. Am 1. Mai 1933 trat Klophaus der NSDAP bei, „weil die Hitlerbewegung nach meinem Empfinden Ordnung und Arbeit brachte“. Er war ein „Märzgefallener“: So nannten die „alten Kämpfer“ jene, die erst nach der Reichstagswahl im März zur Partei stießen. „Weil ich kein aktiver Nationalsozialist war“, rechtfertigte sich Klophaus später, „habe ich mich nie um die Aufträge für die großen Palastbauten im übrigen Deutschland beworben. Es wäre mir mit Rücksicht auf meine früheren Erfolge bestimmt ein Leichtes gewesen, derartige Aufträge von der Partei zu erhalten.“

In Wahrheit nahm er an den Wettbewerben für eine Reichsführerschule in München und eine Kriegergedenkstätte in Düsseldorf teil. Sein Entwurf für ein Denkmal der „Gefallenen der nationalsozialistischen Erhebung“ auf der Moorweide wurde 1934 mit dem ersten Preis ausgezeichnet, aber nicht ausgeführt. Aufgrund seiner guten Beziehungen zum NS-Establishment erhielt er den Zuschlag für einen „epochemachenden Repräsentationsbau“. Mit 68 Metern wäre der Verwaltungssitz der Hochbahn das höchste Gebäude Deutschlands geworden – hätte der Krieg die Arbeiten nicht 1940 beendet.

Das Gängeviertel zwischen Gänsemarkt und Großneumarkt, in dem vor allem Arbeiter wohnten, war als „Verbrecherviertel“ verrufen: Es war eine Hochburg der Kommunisten und ein Zentrum des Judentums in der Stadt, wo 1809 Felix Mendelssohn Bartholdy zur Welt kam. Hier wurde auch Carl von Ossietzky geboren, der 1936 als KZ-Häftling den Friedensnobelpreis erhielt. Nicht zuletzt um ein Exempel zu statuieren verfügten die Nazis den Abriss, und Klophaus gehörte von 1934 bis 1937 zu den Architekten des Neuaufbaus.

Gängeviertel

Zur Grundsteinlegung eines seiner Bauten am 22. Oktober 1938 erschien Reichspropagandaminister Dr. Joseph Goebbels höchstselbst. Am Speersort waren die Hamburger Nachrichten hergestellt worden, die für die Nazis die Werbetrommel gerührt hatten. Doch die zeigten sich nicht dankbar, sondern ließen das Verlagshaus abreißen, um Platz zu machen für ihr „Gaublatt“ Hamburger Tageblatt. Nach Beschädigungen im Krieg wieder hergerichtet und um zwei auf sieben Geschosse aufgestockt beherbergte das „Pressehaus“ seit 1946 Die Zeit, nachher auch Hamburger Morgenpost, stern und Der Spiegel. Die Zeit blieb, und seit 2016 heißt es nach deren langjährigem Herausgeber „Helmut-Schmidt-Haus“.

Ehemaliges Pressehaus

Backstein, Sprossenfenster, Arkaden – an der Architektur, die seit 1999 unter Denkmalschutz steht, ist nicht erkennbar, dass es sich um einen NS-Prestigebau handelt. Ein Detail, das es verraten hätte, wurde schon 1945 entfernt. Auf der Fassade am Zugang zum Innenhof prangt eine Hansekogge. Sie war das Signet des Hamburger Tageblatt und zeigte auf dem vorderen Segel ein Hakenkreuz. Gestalter des Sandstein-Reliefs war Richard Kuöhl (1880–1961), der berüchtigt ist für das Denkmal am Dammtor von 1936, auf dem 88 kantige Soldaten zur Inschrift „Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen“ im Rechteck marschieren. (→ Der Klotz steht noch) Kuöhl war mehrfach der Partner von Klophaus: in Dulsberg, bei der Siedlung Fiefstücken und im Gängeviertel sowie 1936/37 beim Altstädter Hof, der sich wie der Mohlenhof und das Bartholomayhaus von 1938/39 im Kontorhausviertel befindet.

Bartholomayhaus und Altstädter Hof

Im Auftrag der Wehrmacht errichtete Klophaus 1939–41 in Osdorf Wohnungen für Offiziere, die so genannte „Luftgau-Siedlung“ an der Arnimstraße und eine gleichartige Anlage an der Bockhorst. „Wohnen wie zu Nazi-Zeiten“ titelte das Hamburger Abendblatt 2016 über Proteste von Bewohnern gegen Auflagen des Denkmalschutzamtes: Nicht-heimische Pflanzen, Spielgeräte, Gartenhäuser und Palisaden sollten entfernt und die Hecken auf „einheitliche Schnitthöhe“ gestutzt werden. „Im Wohnungsbau hat der Nationalsozialismus keinen neuen ,Stil‘ entwickelt“, stellte ein Architekturhistoriker fest, „was gebaut wurde, war eine biedere Fortsetzung des ,Heimatstils‘ der Zeit zuvor, verbrämt mit einigen Flaggenmasten mit Hakenkreuzfahnen“. Dem behördlich angeordneten Kahlschlag wurde teilweise entsprochen.

Luftgau-Siedlung

An Klophaus lasse sich „sehr schön darstellen, wie ein Architekt sich sozusagen durch die Zeiten entworfen hat und dann nach dem Krieg mit einem völlig neuen Paradigma wieder an den Tag getreten ist mit dem City-Hof“, sagte 2016 ein Sachverständiger in einer Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses, auf der es um das Schicksal seines letzten Werks ging. Klophaus war zunächst mit einem Berufsverbot belegt und erst im zweiten Anlauf „entnazifiziert“ worden. Auf der ehemaligen Baustelle seines Hochbahn-Hauses am Rande des „Klophausviertels“ entstanden ab 1954 die vier 40 Meter hohen Scheiben des City-Hofs. Die Einweihung 1958 erlebte er nicht mehr, er war am 3. Juli 1957 gestorben. Der City-Hof wurde nach erbitterter Debatte 2019 abgerissen. Für den Klophausring empfahl die Historiker-Kommission nicht die Umbenennung, sondern „den Straßennamen mit weiterführenden Informationen kritisch zu kontextualisieren“.

(→ bei uns, Zeitschrift der Hamburger Lehrerbau-Genossenschaft, Winter 2022)

Weitere Porträts Hamburger Architekten:

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Karl Schneider

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Hadi Teherani

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