Die Überfälle auf das Kloster Harsefeld 1545/46

Ein halbes Jahrtausend lang war das Harsefelder Kloster der wirtschaftliche und kulturelle Mittelpunkt der Region.

In den Ruinen zwischen Amtshof und Kirche entdeckten die Archäologen Brandschichten: Sechs Mal hatten Flammen im Kloster gewütet.

In der Schicht jenes Februartages 1546, als der Schwarze Ritter das Kloster überfiel und seinen Niedergang einleitete, wurde eine Axt gefunden.

Ob sie den Räubern gehörte oder einem Mönch ist ungewiss.

Schwarzer Ritter in Harsefeld (Zeichnung: urian)
Die Reformation war über das Land gegangen und hatte die Stellung der Klöster geschwächt. 1546 war Martin Luthers Todesjahr. Gegen Kirchenfürsten wie den Erzbischof Christoph von Bremen war Luther zu Felde gezogen: ein rücksichtsloser Geistlicher als weltlicher Herr zwischen Elbe und Weser.

Schwarzer Ritter in Harsefeld (Zeichnung: urian)
Bei Joachim Pentz stand der Verschwender Christoph mit 5000 Goldgulden in der Kreide und dachte nicht an Rückzahlung.

Schwarzer Ritter in Harsefeld (Zeichnung: urian)
Pentz war einer der letzten Raubritter. Auch nach dem »Ewigen Landfrieden« von 1495, der dem Missbrauch des Fehderechts Einhalt gebot, überfiel er reisende Händler und betrieb das »Bauernlegen«: er verjagte Landleute von ihren Höfen und nahm diese in Besitz.

1538, als 24-Jähriger, hatte er einen Streit mit den Lübeckern ausgefochten und zwei Hansestädter auf dem Markt von Wittenberg als Geiseln für eine Geldschuld genommen. Für 1800 Taler, die er dem Herzog von Mecklenburg geliehen hatte, ließ er sich das Amt Gadebusch bei Ratzeburg verschreiben.

Während sein Küchenmeister dort die Geschäfte führte, ging der Ritter auf Raubzug. Er war jetzt 31 Jahre alt und berüchtigt für seine Brutalität.

Schwarzer Ritter in Harsefeld (Zeichnung: urian)
In Harsefeld regierte seit fast 20 Jahren Arnold Bicker als Erzabt. Unter den katholisch gebliebenen Klöstern in Erzbischof Christophs Machtbereich war es das reichste. Das Klostergelände umfasste die Abtei, eine große und zwei kleine Kirchen, einen Gutshof mit den Wirtschaftsgebäuden, Wassermühle und Ziegelei, sowie Küche, Brauhaus und Backhaus, das Schlafhaus der Mönche und ein Krankenhaus.

Schwarzer Ritter in Harsefeld (Zeichnung: urian)
Wie es sich gehörte, hatte Joachim Pentz Fehdebriefe verschickt, in denen er seine Schuldner und deren Bürgen als ehrlose Gesellen und Erzschelme beschimpfte, mit Brand und Mord drohte und damit, ihnen Hände und Füße abzuhauen. Für einen Teil der Summe, die der Erzbischof dem Ritter schuldete, hatten sich die Pröpste von Altkloster, Neukloster und Osterholz verbürgt.

In Harsefeld sorgte man sich nicht. Schließlich unterstand man direkt dem Papst und zählte nicht zu den Untertanen des Erzbischofs. Doch an Harsefeld hielt sich Pentz, weil er dort die üppigste Beute erwarten durfte.

In der Nacht des 5. Januar 1545 pochte der Schwarze Ritter erstmals an das Klostertor. Ein Küchenjunge erwachte von dem Lärm. Aus dem Fenster erkannte er die vielköpfige Reiterschar an der Pforte und schlug Alarm.

Der zweite Mann des Klosters, Prior Christoph Bicker, versteckte sich im Rauchfang der Küche. Die Handvoll Mönche sowie ihre Diener verschanzten sich im Turm der großen Kirche. Sie brachen Steine aus der Mauer und schleuderten sie gegen die grölende Horde, die die Treppe heraufstieg.

Nachdem sie noch im Hof getobt hatten, zogen die Räuber ab. Den Erzabt, den er als Geisel hatte nehmen wollen, erwischte der Schwarze Ritter nicht. Arnold Bicker war gewarnt und verbrachte die Nächte fortan im Abthaus in Buxtehude.

Schwarzer Ritter in Harsefeld (Zeichnung: urian)
Am 25. Februar 1546 morgens um fünf Uhr kehrten Pentz und 100 Mann wieder. Diesmal ließen sich nicht von ein paar Steinwürfen abschrecken.

Schwarzer Ritter in Harsefeld (Zeichnung: urian)
Der Schwarze Ritter und seine Spießgesellen stahlen alle Kostbarkeiten wie die Altargeräte und mit Gold bestickte Messgewänder aus Samt und Seide.

Die Kirchenorgel wurde zerschlagen. Die Räuber erschossen einen Knecht des Abts und einen Bauern.

Die 19 Pferde des Klosters wurden abgeführt, bevor die geplünderten Gebäude in Flammen aufgingen. Der Kreuzgang, zwei Ställe mit 150 Stück Vieh, fast das gesamte Klosterareal brannte ab.

Schwarzer Ritter in Harsefeld (Zeichnung: urian)
Auch im Dorf wüteten die Mordbrenner, brachen jede Kasse auf und raubten allen Schmuck. Noch vier Monate, heißt es, schwelte die Glut der Feuersbrunst im Boden. Zwar begannen die Mönche sofort mit dem Wiederaufbau – doch von diesem Schlag erholte sich das Kloster nicht mehr.

So wenig wie der Erzabt. Während der Bauarbeiten fuhr er täglich zwischen Buxtehuder Abthaus und Harsefeld hin und her. Eines Tages verunglückte sein Wagen am Steilhang der Hohen Brücke, und wenig später, am 11. September 1548, starb er.

Schwarzer Ritter in Harsefeld (Zeichnung: urian)

Auch sein Nachfolger Christoph Bicker starb, ohne dass der Schwarze Ritter bestraft worden wäre. Zwar hatte der vormalige Prior noch im Jahr seiner Amtsübernahme Klage eingereicht beim Reichsgericht zu Speyer und bezifferte dabei den Gesamtschaden der beiden Pentzschen Überfälle mit 10 900 Talern.

Prozesse dieser Art aber wurden selten während eines Menschenlebens abgeschlossen, sie machten vielmehr »die Erben arm und die Advokaten reich«. Erst auf dem Sterbebett, 1579, gestand Pentz dem Kloster eine Entschädigung von 1600 Talern zu.

Inzwischen war Luneberg Brummer Erzabt. 35 Jahre nach dessen Tod, 100 Jahre nach dem Februarüberfall wurden die verbliebenen vier Mönche und ihre zwei Dutzend Bediensteten heimatlos.

Literatur

K. Frerichs / D. Ziermann / D. Meyer et al.: Ein Platz im Brennpunkt der Geschichte, Stade 1989 | K. Isensee: Das Kloster Harsefeld in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts, Harsefeld 1986 | G. Radbruch / H. Gwinner: Geschichte des Verbrechens, Stuttgart 1951 | U. R. in Hamburger Abendblatt 14./15.11.1998; Geschichte und Gegenwart, Harsefeld 1998; Kreiszeitung Syke 31.10.2009 | Die Klosterwelt, Schwedenspeicher-Museum Stade 1982 | H. Seebo: Joachim Pentz, Stader Archiv 14/1924

© Uwe Ruprecht

Siehe auch → Thietmars Ritt nach Rosenfeld. Der Wikingerüberfall anno 994
Räuber auf zwei und vier Beinen. Baron Bidal und Wolfszeit in Harsefeld nach dem Dreißigjährigen Krieg

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