Aufzeichnungen im Schatten des Corona-Virus

Erste Folge ab 28. März 2020

Zweite Folge ab 23. April 2020

Dritte Folge ab 9. Juli 2020

Vierte Folge ab 1. Dezember 2020

Die Wirtschaft ist nicht zusammengebrochen. Die Zahl der Suizide infolge von Lockdown-Depression ist nicht bekannt, aber sie dürfte bei Weitem nicht die 73.369 Tote erreicht haben, die bis zu diesem 14. März 2021 direkt auf das Konto der Seuche gehen. Alles in allem ist das Ärgste, das der Mehrheit der Bevölkerung widerfahren ist, dass sie für ein Jahr lang ihre Gewohnheiten ändern musste.

Das Schlimmste steht vielleicht noch bevor. Noch halten die Maßnahmen zur Seuchenabwehr die Gesellschaft zusammen, aber immer häufiger muss dazu die Polizei bemüht werden. Tatsächlich sind ihre bis dahin als selbstverständlich geltenden Grundlagen unterhöhlt worden.

Allenthalben haben sich die längst vorhandenen Risse aufgetan: zwischen den Generationen und sozialen Schichten, zwischen der Politikerkaste und denen, die von ihr regiert werden. Die Haltung zum und der Umgang mit dem Virus hat Familien und Freundeskreise entzweit.

An etlichen Stellen zeigte sich, wie dünn die Decke der Zivilisation ist, sobald ihre Festigkeit geprüft wird. Allzu viele zeigten sich bereit, die Ältesten sterben zu lassen, damit die Jüngeren Party machen können. Gedankengänge, die bis vor einem Jahr mit Tabu belegt waren, weil sie zwischen 1933 und 1945 staatstragend gewesen waren, wurden anstandslos geäußert. Das Wort vom „lebensunwerten Leben“ wurde vermieden, aber oft genug nur deshalb, weil es denjenigen, die entsprechende Überlegungen vortrugen, nicht geläufig war.

Durch die Seuchenabwehr wurden Tätigkeiten und Lebensbereiche auf ihre „Systemrelevanz“ hin überprüft. Bemerkenswert wenig stellte sich als unentbehrlich heraus. Und nicht jene, die bisher als Leistungsträger galten, erwiesen sich als solche. Eine Lehre aus der Seuche kann nur sein, die Verwerfungen, die sie sichtbar gemacht hat, nicht wieder zuzukleistern.

Mütze auf, Mütze ab. Seit wenigen Tagen gelten „Lockerungen“. Ein paar weitere Geschäfte haben geöffnet, und der Plebs fliegt scharenweise nach Mallorca. Und schon steigen die Infektionszahlen rasant an, so dass für Hamburg eine „Notbremse“ angedroht wird, die Rücknahme der eben erst eingetretenen Lockerungen.

Während die Einhaltung der Corona-Regeln im öffentlichen Raum kontrolliert wird, und die Leute sich benehmen, weil sie von Fremden umgeben sind, die ihre Nachlässigkeit nicht tolerieren, tun sie daheim, als ginge sie die Seuche nichts an. Zwei Drittel aller „Ausbruchssituationen in den vergangenen sieben Tagen“, wird vermeldet, betreffen den privaten Raum.

Nach dem Ziehen der Notbremse wäre das, woran die Leute sich ohnehin nicht halten, wieder förmlich verboten. Sie dürften sich nur noch mit einer Person, die nicht zum eigenen Haushalt gehört, treffen. Nichts anderes habe ich seit Monaten praktiziert und kann keinen wesentlichen Verlust darin erkennen, mich nicht in größeren Runden aufgehalten zu haben. Meinetwegen können auch die Geschäfte, die ich nicht aufgesucht habe, Museen und Galerien sowie Sportanlagen schließen, und auf körpernahe Dienstleistungen bin ich nicht angewiesen. Warum Friseure, Blumen- und Buchläden geöffnet bleiben sollen, ist mir hingegen ein Rätsel.

Es ist nicht zuletzt solches Hin und Her und die Undurchsichtigkeit der Bestimmungen, die von der Politikerkaste nicht überzeugend begründet werden, die alle Maßnahmen untergraben, so dass diese schließlich von denen, die sich keinen eigenen Kopf machen, ignoriert werden. Die Corona-Leugner, die von einer gewissen Presse als „Corona-Skeptiker“ verharmlost und begünstigt werden, sind nur die Spitze des Eisbergs. Durch die Verhalten zeigen große Teile der Bevölkerung an, dass ihnen Krankheit und Tod anderer egal ist. Die 20- bis 40-Jährigen, die für den Anstieg der Infektionszahlen hauptverantwortlich sind, müssen selbst nicht damit rechnen, auf einer Intensivstation behandelt zu werden. Also pfeifen sie auf alle Vorsichtsmaßnahmen.

Fehlende wissenschaftliche Kenntnisse und mangelhafte Kommunikation der Politik haben die Illusion gefördert, nur Greise würden unter Corona zu leiden haben. Also taten allzuviele Jüngere so, als ginge sie die Seuche nichts an und reklamierten ihr Menschenrecht auf Party. Also wurden Kitas und Schulen geöffnet, damit das Virus sich ungestört verbreiten konnte. Also fliegen die Unsterblichen munter nach Mallorca, um sich am Strand zu tummeln. Für alle Nicht-Greise wäre Covid-19 nur wie eine Grippe, hieß es, und die Verschwörungsmythologen, die sich wie Neonazis gebärden, frohlockten.

Inzwischen sind immer mehr Greise geimpft, aber die Seuche schert das nicht. „Wenn sich die Pandemie weiter ausbreitet, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die Krankenhäuser und Intensivbetten bald mit jüngeren Patienten füllen“, heißt es am 18. März 2021 in der Hamburger Morgenpost. Au weia, nun müssen die Unbetroffenen und Unbesorgten doch noch lernen, Maske zu tragen und Abstand zu halten. Und die Devise „lass doch die Alten sterben, damit wir Party machen können“ funktioniert auch nicht mehr.

Jetzt müsste es erst recht mit dem Impfen klappen. Aber daran ist nicht zu denken, solange ein Bankkaufmann, der mit der Innenausstattung seiner Villa ausgelastet ist, als Bundesgesundheitsminister die hauptsächlichen Entscheidungen trifft oder vielmehr verschläft.

Die neueste Werbung vor meiner Haustür. Bei „Disziplin“ stellen sich mir die Nackenhaare auf, ich bekomme einen Preußenkoller, und meine anarchistischen Triebe regen sich. Aber mit „Vernunft“ ist schlecht werben. Der Mensch ist zwar ein vernunftbegabtes Wesen, aber eben nur begabt. Bei der Anwendung des Verstands hapert es gerne.

Mehr als 20.000 Corona-Leugner konnten sich am 20. März 2021 in Kassel ohne Abstand und Maske zusammenrotten und wurden, wie schon in anderen Städten zuvor, von der Polizei nicht gestört. Dass die Sicherheitskräfte die ungenehmigte Demonstration laufen ließen, begründeten sie damit, dass die Teilnehmer dem „bürgerlichen Lager“ angehört haben sollten. In der Berichterstattung hieß es, die Polizei sei „hilflos“ und „überfordert“ gewesen.

Politik galt in Deutschland als etwas, das „die da oben“ machen, das die Bürgerinnen und Bürger, die sich gar nicht als solche begriffen, nur peripher etwas anging. Wer in geselliger Runde ein politisches Thema anschnitt, musste damit rechnen, zum Schweigen aufgefordert oder als Extremist gebrandmarkt zu werden. Dass eine funktionierende Demokratie die alltägliche Beteiligung der Staatsbürger erfordert – das hatte sich bei der Mehrheit nicht durchgesetzt. Man ging alle paar Jahre zum Wählen, und damit hatte es sich. „Bürgerbeteiligung“ war ein linkes Projekt, das regelmäßig von der Politikerkaste hintertrieben wurde.

Mit dem Ausbruch der Seuche ging ein politischer Ruck durch das Land. Plötzlich fühlten sich auch jene Bürger in ihrem Alltag von politischen Entscheidungen betroffen, die sonst genervt abgewinkt hatten, wenn sie sich zu politischen Fragen hätten äußern können und sollen.

Die Naivität wie die Radikalität dessen, was aus den Kreisen der Corona-Leugner über die politischen Verhältnisse verlautet wird, geht auf das Konto ihres bisherigen Desinteresses. Mit der Seuche haben die meisten von ihnen erstmals das Politische für sich entdeckt und behandeln ihre vermeintlichen Erkenntnisse wie exklusives Wissen, über das alle anderen, die „Schlafschafe“ nicht verfügen. (→ Aufstand der Einfältigen)

Das „bürgerliche Lager“, gegen das die Polizei nicht vorgehen mag, umfasst Neonazis ebenso wie Linke im Rentenalter, Heilpraktikerinnen wie Rechtsanwälte, Mittelschichtsangehörige wie Abgehängte. Sie eint allein der Widerstand gegen die Seuchenpolitik, die in ihren Alltag eingreift.

Die Flüchtlingspolitik hatte ab 2015 dasselbe „bürgerliche Lager“ zur Wahl der AfD animiert und diese mit zweistelligen Prozentzahlen in die Landtage und den Bundestag katapultiert. Dabei war die Betroffenheit vorwiegend fiktiv. Die Wählerschaft zumal im ländlichen Raum, wo die meisten Deutschen leben, kannte Flüchtlinge nur aus dem Fernsehen und als Menetekel an der Wand. Die Eingriffe der Seuchenabwehr sind dagegen real.

Der Zweifel an der Politikerkaste, der sich als Rede von der „Corona-Diktatur“ verfestigt, greift um sich und betrifft inzwischen alle Parteien außer der AfD, die freilich dadurch nicht an Boden gewinnt. Dass die Neonazi-Partei nicht vom Unbehagen des „bürgerlichen Lagers“ profitiert, liegt daran, dass sie längst als Teil des Systems, zu dessen Abschaffung die Demonstranten in Kassel aufgerufen haben, begriffen wird.

Im Verlauf der Seuche nahm die Präsenz der AfD in den Medien ab. Bis dahin wurde sie zumal von den zur „Ausgewogenheit“ vergatterten öffentlich-rechtlichen Sendern, denen sie ihren Aufstieg verdankte, regelmäßig wahrgenommen. Inzwischen muss man ihre Stellungnahmen suchen; bei Google News kommen sie so gut wie nicht mehr vor.

AfD-Amtsträger sind aber auch auf den Demonstrationen der Corona-Leugner nicht präsent. Keine Weidel, kein Gauland oder Höcke treten dort als Redner auf. Das „bürgerliche Lager“ ist eben weder links noch rechts, sondern Mitte. Die Rentner, die zuletzt in Brokdorf demonstriert haben, würden keinem Höcke folgen; die Neonazis, die in Kassel mitmarschiert sind, halten sich bedeckt und lassen ihre Reichskriegsflaggen inzwischen zu Hause.

Das System, gegen das die bunte Mischung antritt, wird nirgendwo definiert. Die telegram-Gruppen, in denen der Widerstand organisiert wird, eint kein Gedankengebilde, sondern lediglich das Gefühl, missachtet zu werden. Sobald die Seuche abgeklungen sein wird, könnte ihr Unbehagen wieder verschwinden. Ebensogut könnte es sich verstetigen und in der Zeit nach Corona wie jetzt schon die demokratische Verfassung unterhöhlen.

Wohin die Reise geht, machen korrupte Zeitungen wie das Stader Tageblatt vor, indem sie von „Corona-Skeptikern“ schreiben und die Ignoranz der Polizei loben. Diese Vertreter eines Neuen Kaiserreichs, in dem es nur deutsche Patrioten und keine Parteien mehr gibt, haben längst auf das hingearbeitet, was die Corona-Leugner fordern, die Abschaffung des gegenwärtigen demokratischen Systems.

Kaum hat die Spitze der Politikerkaste in Berlin eine Verlängerung des Lockdowns und seine Verschärfung über Ostern beschlossen, fangen die ersten Landesfürsten und -fürstinnen schon wieder an, von Lockerungen zu schwafeln. Die Botschaft an die Bevölkerung ist klar: alles nicht so schlimm, es leiden und sterben nur die anderen. Und die korrupten Medien, die verlernt haben, eigene Haltungen einzunehmen und nurmehr nachplappern, was ihnen vorgesagt wird, verbreiten die Botschaft willfährig.

Was in den Medien als Leiden verkauft wird, ist allmählich an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten: Kinder, die angeblich Depressionen bekommen, weil sie nicht zur Schule gehen können; ein Anstieg der verzeichneten Fälle um sieben Prozent wird zu einer überbordenden Welle häuslicher Gewalt. Tatsächlich ist gelegentliches Maskentragen das Einzige, was von der Pandemie bemerkbar ist. Die Leute treffen sich wie gehabt zu Hauf in Innenräumen und achten nicht auf Abstand.

Seit Ende 2020 wird mit dem Versprechen auf Impfungen das Ende der Pandemie beschworen, wiewohl klar ist, dass es damit nicht getan sein wird, und obwohl die „Impfkampagne“ in Bürokratie verstolpert wird und die Quote nach mehr als einem Vierteljahr gerade mal bei neun Prozent steht. Längst hat sich eine Allianz gebildet aus Corona-Leugnern und der Mehrheit der Politikerkaste, die die Seuche permanent klein redet.

Das Bundesgesundheitsministerchen lutscht Konfekt, und ein Ministerpräsident twittert eine Serie von „Ä“s, während sie elf Stunden lang über die Seuchenbekämpfung beraten, um schließlich nichts beschickt zu haben, das Sinn macht. Am nächsten Tag sehe ich mitten auf der Straße zwei junge Frauen, die erkennbar nicht unter einem Dach wohnen, sich lang und innig umarmen. Vielleicht ist nichts Virulentes geschehen. Aber das können sie nicht wissen, und es schert sie so wenig, wie die Debilen in der Regierung, die jeden Bezug zur Realität verloren haben und dabei über Leichen gehen.

500 Jugendliche machen in Harvestehude Party. Vor der Kita bilden die Eltern eine Menschentraube. Die sonnenüberfluteten Straßen sind so voll wie seit Monaten nicht, überall stehen Gruppen schwätzend herum. In der Schlange vor der Eisdiele wird auf Masken verzichtet. Der Betrieb in Impfzentren ruht über Ostern, denn er wird mit Ehrenamtlichen aufrecht erhalten. Die Regierungsparteien CDU/CSU sind mit ihrem Kanzlerkandidaten beschäftigt; von den Spezialdemokraten ist gar nichts zu hören, was kein Verlust ist. In den Medien bekommen jene Raum, die über die angeblich depressiven, eingesperrten Kinder und epidemische Einsamkeit jammern. Durch die Ausgangssperre in Hamburg werden Freiheitsrechte eingeschränkt, schreien jene, die seit Jahren nicht mehr abends auf der Straße unterwegs waren, außer im Auto, um zu einer Veranstaltung oder ins Restaurant zu fahren. Die Kultur ist wie erwartet kollabiert, weil die Oberschicht nicht in die Oper darf. Stand der Seuche am 1. April 2021: 24.300 Neuinfektionen, 201 weitere Tote. Von den insgesamt 76.543 Toten wird natürlich nicht geredet, das wird dem Bundespräsidenten überlassen, der in diesem Monat einen Auftritt für sich auf dem Leichenberg geplant hat. Ich gehe nur noch zum Kotzen vor die Haustür.

Leben und Tod stehen und liegen dicht beieinander. Zu dicht.

Die Politikerkaste ist im Wahlkampfmodus, und das Mediengeschmeiß macht munter mit. Dass die Infektionszahlen steigen und auf den Intensivstationen weiter Menschen sterben, interessiert nur am Rande. In Hinblick auf die Seuche ist allenfalls von Formalien die Rede: wer trifft wann welche Entscheidung? Die Entscheidungen selbst werden nicht mehr hinterfragt. Alle wurschteln planlos vor sich hin. Wichtig scheint nur, dem Wahlvolk Lockerungen des Lockdown zu versprechen, wie schon vor einem Jahr. Die Bevölkerung versteht das als Nachlassen der Achtsamkeit und Schwinden der Vorsicht.

Immerhin: die Ausgangssperre wird in Hamburg offenbar eingehalten, und die Polizei vermeldet nicht mehr täglich, dass sie Partys auflösen musste. Ansonsten herrscht dasselbe Dunkel wie zuvor. Die Infektionsketten sind so ungeklärt wie vor einem Jahr. Ob Kitas, Schulen, Arbeitsplätze oder private Treffen die Seuchenherde sind, darüber lässt sich nach wie vor nur spekulieren. Oder sind es doch Gastronomie, Einzelhandel und Theater, die allein geschlossen bleiben?

Ausgangssperre in Hamburg: man sieht nichts, außer einem leeren Bus.

Das Mediengeschmeiß dreht Locken auf dem Kopf der Leiche. Virologen kommen immer weniger zu Wort, nachdem die Politikerkaste offenbar entschieden hat, ihnen gar nicht mehr zuzuhören. Die Hauptverantwortlichen sind unverändert im Amt und dürfen weiter versagen. Nahezu täglich macht das Bundesgesundheitsministerchen Versprechungen, als sei er nicht längst dafür berüchtigt, sie nicht einzuhalten. Nichts funktioniert, aber Politik und Medien haben sich darauf verständigt, den Leuten Sand in die Augen zu streuen.

Die Seuche hat überdeutlich gemacht, wie verkommen das politische System ist, das von selbstverliebten Flachpfeifen und Abzockerbanden beherrscht wird. Aber sie beherrschen es weiter, und dass sie über Leichen gehen, ficht sie so wenig an wie im Kaiserreich und im Nationalsozialismus. Die formale Demokratie ist nur der Paravent vor einem Raubtiergehege.

Wenn die Leute sich nicht vernünftig verhalten, werde es Ausgangssperren geben, prophezeite ich vor einem Jahr. Vernünftig hieß: sich nicht abends zusammenzurotten und Viren zu verschleudern. Taten sie aber weiterhin. Jetzt erhalten sie die Quittung dafür – und schreien laut auf, dass sie ab 22 Uhr nicht mehr Auto fahren dürfen. Ja, wo wollen sie denn hinfahren? Einfach in der Gegend herum kurven wie andere einen Spaziergang machen? Das wäre mal eine gute Gelegenheit, über den Klimawandel zu reden. Wird nicht getan, auch nicht von den Fanatikern von „Fridays for future“, von denen nichts zu hören war, solange die Schulen geschlossen waren und das Schwänzen keinen Sinn machte.

Es gäbe gar keine Daten darüber, wie Ausgangssperren auf das Infektionsgeschehen wirken, wird bemängelt. Ja, wie denn, wenn es sie bisher gar nicht gab? In Hamburg gilt eine. Und jeder, der bei Verstand ist, braucht keine Untersuchung, um zu wissen, dass sie wirkt: die Leute sind abends nicht mehr unterwegs, also können wohl auch die privaten Treffen nicht stattfinden, bei denen Viren ausgetauscht werden. Meine Erdgeschosswohnung liegt am Treppenhaus: seit Beginn der Ausgangssperre herrscht dort Stille; die jungen Leute, die dort bis weit nach Mitternacht herauf und herunter getrampelt sind, bleiben offenbar daheim. Die Corona-Leugner und die BILD hetzen gegen das „Einsperr-Gesetz“. Selbst Schuld. Die Seuche kennt keine Gnade, und wer nicht hören will, muss fühlen.

Mundus vult decipi: dass sich die Leute gern hinters Licht führen lassen, demonstrieren sie seit einem Jahr. Die Politikerkaste verspricht wider alle Vernunft „Lockerungen“ bei der Seuchenbekämpfung, und alle wollen ihr glauben. Gegenwärtig wird die Impfkampagne als Erfolg gefeiert und ausgiebig über „Lockerungen“ für Geimpfte fantasiert. Tatsächlich sind erst ein Viertel der Bevölkerung einmal geimpft. Noch sind nicht alle Risikogruppen dran gewesen, da wird mit der Aufhebung der Priorisierung Wahlkampf gemacht.

Wer gegen die Fantasmen argumentiert, wird angegriffen. Die Leute wollen sich ihre Träume nicht nehmen lassen. Zum Riss zwischen den Corona-Leugnern und denen, die sich an die Regeln halten, kommt nun der zwischen jenen, die die Lage realistisch einschätzen, und denen, die sich der Volksverarschung von Politikerkaste und Mediengeschmeiß unterwerfen wollen.

Jeder kenne einen, der geimpft sei, behauptete das Bundesgesundheitsministerchen bereits vor Monaten. Eine dummdreiste Lüge, für die Jens Spahn selbstverständlich nicht geradestehen musste. So wenig wie für irgendeine der falschen Versprechungen, die er laufend abgesondert hat. Bis heute, 30. April 2021, kenne ich zwar welche, die einmal, aber niemanden, der zwei Mal geimpft wäre. Von den paar Personen, mit denen ich, den Kontaktbeschränkungen folgend, noch näheren Umgang habe, ist zu diesem Zeitpunkt genau eine, mit 69 Jahren, einmal geimpft worden. Falls machtbessenene Arschlöcher wie der CSU-Chef sich mit dem Wegfall der Priorisierung durchsetzen, muss ich mich als Angehöriger einer doppelten Risikogruppe (alt und arm) mit den Besserverdienenden und besser Vernetzten um einen Impftermin prügeln.

Offiziell bin ich noch nicht dran. So wenig wie mich bisher die 150 Euro erreicht haben, die laut Pressemitteilung des Hamburger Senats vom 30. April an „Leistungsbezieher“ ausgezahlt werden sollen, um deren pandemiebedingten Mehrbedarf auszugleichen. Aber ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der einen Arzt kennt, der noch AstraZeneca-Dosen übrig hat.

Die Statements der Politikerkaste und das Geschreibsel des Mediengeschmeißes über die Seuche sind zunehmend von Wahlkampfpropaganda bestimmt. Erst 8,8 Prozent der Bevölkerung sind zwei Mal geimpft, und auch die 31,5 Prozent, die eine zweite Impfung erhalten haben, rechtfertigen nicht, dass wochenlang über „Freiheit für Geimpfte und Genesene“ geschwafelt wird und die Erkrankten und Verstorbenen ignoriert werden.

Zuletzt fordert das Bundesgesundheitsministerchen, der geldgierige Bankkaufmann, der sein Amt allein seinen Parteibeziehungen zu verdanken hat, den Abstand zwischen der ersten und zweiten Impfung beim Präparat von AstraZeneca zu verkürzen. Dass die Schutzwirkung damit drastisch reduziert wird, interessiert den korrupten Karrieristen nicht. Ihm geht es allein darum, vor der Bundestagswahl im September mit einer erhöhten Impfquote protzen zu können.

Das Versagen des Jens Spahn schreit ebenso zum Himmel wie sich etliche Ministerpräsidenten und -präsidentinnen allein dadurch ausgezeichnet haben, dass sie im Wochenrhythmus ihre Ansichten gewechselt haben, ohne von den Medien auch nur aufgefordert zu werden, ihr Hin und Her zu begründen. Die Pandemie hat die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Politikerkaste und Mediengeschmeiß überdeutlich werden lassen. Aber sie werden von allzu vielen in Schutz genommen, weil auch die Corona-Leugner der „Querdenker“-Szene darauf hinweisen, dass Meinungsvielfalt über weite Strecken eine Illusion ist.

Die Zeit sei der „Olymp“ des Journalismus schrieb Josef Müller-Marein einmal, als eine Freundin von mir sich dort bewarb. Tempi passati: Inzwischen kann man dort nicht einmal mehr zwei und zwei zusammenzählen. In der Einleitung einer → Betrachtung zur Ausgangssperre in Hamburg heißt es: „Um die Ausbreitung der Corona-Pandemie einzugrenzen, verhängte der Hamburger Senat ab dem Osterwochenende eine Ausgangsbeschränkung für die Hansestadt: Von 22 Uhr bis 5 Uhr durften Hamburgerinnen und Hamburger ihre Wohnung nur mit einem triftigen Grund verlassen. Dazu gehörte der Weg zur Arbeit, Sport (allerdings nur für Einzelpersonen) und Gassigehen mit dem Hund. Im Zuge der ‚Bundesnotbremse‘ wurde die Ausgangssperre bald sogar auf 21 Uhr vorgezogen.“

Tatsächlich galt in Hamburg eine Beschränkung ab 21 Uhr, und die wurde beibehalten, obwohl die von der „Bundesnotbremse“ eine Sperre ab 22 Uhr vorsah. Vielleicht wird dies korrigiert, während ich meinen Post fertig stelle. Aber es bleibt dabei: bei der Zeit wird ebenso geschlampt wie anderswo.

Die dort versammelten Texte wiederholen im Wesentlichen, was ich hier bereits beschrieb. Und es fragt sich nur, warum Politik und Medien gegen die Ausgangssperre hetzten, solange sie bestand, statt von Anfang an zwei und zwei zusammen zu zählen.

Das Bundesgesundheitsministerchen hat beim Mediengeschmeiß und der blöden Bürgerschaft ein PR-Coup gelandet, indem es die Priorisierung bei Impfungen zum 7. Juni aufgehoben hat. Ab jetzt wird es eng für alle, die, wie die Hälfte der Bevölkerung in Hamburg, keinen Hausarzt haben oder nicht sonstwie gut vernetzt sind. Ich selbst habe als Angehöriger der Priorisierungsstufe 3 noch keine Aufforderung erhalten, mich zu einem Impftermin anzumelden, und schon ist die Schließung des Impfzentrums beschlossene Sache. Wäre ich nicht bereits geimpft, würde ich es wohl auch nicht mehr. Fällt ja nicht weiter auf. In den Kreisen, in denen die Politikerkaste und das Mediengeschmeiß verkehren, kommen solche wie ich nicht vor, haben keine Stimme und bleiben unberücksichtigt. Was den Ausgesonderten bleibt, ist die Schadenfreude. Denn solange sie nicht geimpft sind, ist auch die Seuche nicht überwunden. Die wohlstandsverwahrloste Bürgerschaft mag in den Urlaub fliegen – bei der Rückkehr erwartet sie wie gehabt das Virus. Da hilft fürderhin nur: weiter Abstand halten zum Abschaum. Aber das haben sie auch vor 2020 getan. Insofern kehrt die Normalität in der gespaltenen Gesellschaft zurück.

Es hieß, die Impfberechtigen würden von der Stadt informiert, wann sie an der Reihe seien. Dem ist inzwischen offenbar nicht mehr so. Man muss sich selbst im Internet kundig machen, ob man impfberechtigt ist und dann hoffen, einen Termin zu erhalten. Obwohl ich mich für gemeinhin gut informiert halte, ist mir dies bisher entgangen, und nur weil ich mich im Internet auskenne, finde ich die Information, dass ich immer noch nicht an der Reihe bin.

Wird von mir also erwartet, täglich nachzuschauen, wie der Stand ist? Und wenn mein Datenvolumen aufgebraucht ist und ich die Information verpasse, gerate ich ab Anfang Juni in der Warteschlange hinter jene, die jünger als ich und weniger gefährdet sind? Was ist mit jenen, für die das Internet eine fremde Welt ist, wie für mutmaßlich viele der über 70-Jährigen, die gegenwärtig zur Impfung aufgerufen sind?

Fragen, von denen man erwarten könnte, dass die Medien ihnen nachgehen. Tun sie nicht. Sie kopieren die Verlautbarungen des Senats und belassen es dabei. Nein, es gibt keine Corona-Diktatur, aber die Seuche macht deutlich, wie wenig kritische Distanz zwischen der Politikerkaste und dem Mediengeschmeiß besteht. Und dass alle, die sich nicht im Blickwinkel dieser Bessergestellten befinden, nicht vorkommen.

Meine Wut ist geringer als sei sein könnte, weil der Zufall mir eine erste Impfung und die Aussicht auf eine zweite verschafft hat. Aber das macht das System keinen Deut weniger abscheulich.

Ab dem 22. Mai 2021 treten in Hamburg etliche Lockerungen in Kraft. Unter anderem wird auf Schnelltests verzichtet, wo diese bis dahin erforderlich waren. Wie etwa noch am Tag vorher beim Besuch der Hamburger Kunsthalle, die ich seit über einem Jahr erstmals wieder betrat. Unter Aspekten der Seuche war vor allem bemerkenswert, dass zur Kontaktnachverfolgung nicht etwa die vom Senat für viel Geld angeschaffte Luca-App genutzt wurde, für die ein Sängerlein erfolgreich in Talkshows geträllert hatte, sondern wie anno dazumal Kugelschreiber und Zettel. (→ Digital auf deutsch) Wo ist die viel beschworene Cancel Culture, wenn man sie mal braucht? Weder die Seuchengewinnler noch jene, die ihre Coups ermöglicht haben, ist zur Verantwortung gezogen worden.

Unterdessen beweist der Ministerpräsident von Niedersachsen zum wiederholten Male, dass ihn das Management der Seuche überfordert. Dass er die Impfkampagne einer dubiosen und unfähigen Privatfirma übertragen hat, hätte eigentlich längst seinen Rücktritt nach sich ziehen müssen. Dass er an einem Tag Lockerungen und am nächsten Verschärfungen der Auflagen ankündigt, hätte ihn ebenfalls diskreditieren müssen. Nun kündigt er die Abschaffung der Maskenpflicht an, um Stunden später nach harscher Kritik davon nichts mehr wissen zu wollen.

Zu seinem Glück ist das Mediengeschmeiß auf seiner Seite und spricht nur davon, die „Landesregierung“ habe den Schwachsinn beschlossen. Stephan Weil, der sonst keine Gelegenheit auslässt, den Landesvater zu spielen, muss nicht den Kopf für das hinhalten, was unter seiner Regie vonstatten geht. Bis vor ein paar Monaten war diese Flachpfeife für mein Schicksal mitverantwortlich. Ich mache drei Kreuze, dass ich den größeren Teil der Seuche in Hamburg verbrachte, dessen Erster Bürgermeister offenbar seine Entscheidungen nicht von Gefallsucht bestimmen lässt. Dass sie derselben Partei angehören zeigt, wie bedeutungslos die Unterschiede zwischen diesen inzwischen geworden sind und dass es in der Politik vornehmlich darauf ankommt, ob ihre Protagonisten Charakter haben oder nicht.

Ich traue dem Frieden nicht. Allenthalben werden die Eindämmungsmaßnahmen gelockert, und die Leute tun, als sei die Seuche vorbei.

Ich habe mitten in der Pandemie zwei Mal den Wohnort gewechselt und die Inzidenzzahlen im Kreis Stade, im Heidekreis und in Hamburg beobachtet. Aus scheinbar naheliegenden Gründen war die Großstadt verseuchter als das flache Land. Dem ist nicht mehr so. Der Wert für Hamburg liegt an diesem 24. Mai 2021 unter 40, der für den Kreis Stade darüber.

Thüringen, wo die Corona-Leugner sich zuhause fühlen, ist das Bundesland mit der bundesweit höchsten Inzidenzzahl. Daten über die Impfquote werden nicht verbreitet. Wer nach Erklärungen sucht, greift ins Leere und wird zur Mythenbildung genötigt.

Abstand und Maske war gestern, auf dem Zeitungsfoto wird sich wieder gedrängelt.

Das kommt dabei heraus, wenn man das Gesundheitsressort während einer Pandemie einem karrieregeilen Bankkaufmann anvertraut: Chaos. Siehe→ Die Welt. Außer haltlosen Ankündigungen und faustdicken Lügen hat das Bundesgesundheitsministerchen nichts beschickt bekommen. Gleichwohl bleibt es im Amt und darf vermutlich seine politische Laufbahn nach der Bundestagswahl mit freundlicher Hilfe der Grünen fortsetzen. Jens Spahn steht symbolisch für die Verrottung der Politikerkaste. Dass seine eigenen Parteigenossen ihn nicht schon vor Monaten zum Rücktritt aufgefordert haben, versteht sich von selbst. Dass er aber auch sonst nicht für sein Versagen zur Verantwortung gezogen wird (Die Welt spricht in ihrem Artikel von „der Politik“ statt ihn beim Namen zu nennen), zeigt an, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt.

Das Bundesgesundheitsministerchen hat eine neue Sau gefunden, die es durchs Dorf treiben kann, um davon abzulenken, dass es ein Totalversager ist: die Impfung von Kindern. Obwohl die Fachleute sich nicht sicher sind, dass diese Maßnahme überhaupt sinnvoll ist, spart das Spahn-Ferkel schon mal Impfstoff für Kinder, bevor jene geimpft sind, für die eine Infektion einen schweren Verlauf bis hin zum Tod bedeuten kann. Jens Spahn geht über Leichen, und niemand fällt ihm in den Arm. So geht Politik in Deutschland: wer einmal ein Amt hat, kann tun und lassen, was er will, gegebenenfalls ohne Sinn und Verstand.

Das Mediengeschmeiß plappert brav nach oder hat längst andere Themen besetzt. Es spielt Inquisition mit der Kanzlerkandidatin der Grünen, die mit ihren Einkünften einen Bock geschossen hat. Die CDU/CSU-Abzocker, denen das Bundesgesundheitsministerium Millionen Euro zugeschanzt hat, sind glimpflicher davon gekommen. Ganz offensichtlichtlich ist die Vernetzung der ewigen Regierungsparteien mit den Medien besser. Denn dass der Journalismus unabhängig ist, gilt allenfalls im Vergleich mit Diktaturen.

Kaum sind die Infektionszahlen auf ein Niveau gesunken, dass für alle die „Normalität“ vor der Seuche absehbar werden lässt, da bemühen sich rund 15.000 junge Leute im Hamburger Schanzenviertel, an der Binnenalster und auf St. Pauli in der Nacht zum 30. Mai 2021 darum, das Virus weiter zu verbreiten. „In den Außenbereichen der Bars und Restaurants waren bis zum späten Abend nahezu alle Plätze besetzt. Auf den Gehwegen standen die Menschen dicht gedrängt. Sie mussten sich aneinander vorbeischieben. Mindestabstände wurden nicht eingehalten, es wurden kaum Masken getragen. Bei ausgelassener Stimmung kletterten einige unter Jubel auf Stromkästen und Verkehrsschilder, andere setzten sich auf fahrende Autos. Auch einige Sportwagen und Luxusautos fuhren über das Schulterblatt, die Fahrer wurden mit Jubel begrüßt.“ (→ NDR)

Man ist besoffen und hemmungslos, man verliert Sinn und Verstand: so sieht sie aus, die „Normalität“, nach der sich „die Jugend“ zurück sehnt, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu einer moralischen Instanz verklärt wurde.

Zwei Einkäufe waren an diesem 3. Juni 2021 notwendig und überfällig: Schuhe und Hose. Fußläufig ist kein Geschäft mit billiger Ware erreichbar, also besteige ich die Bahn in die Innenstadt.

Dort gilt weiterhin die Maskenpflicht im Freien. Als ich das letzte Mal hier war, kam mir diese Schutzmaßnahme albern vor, weil die Straßen fast leer und bis auf eine Buchhandlung die Geschäfte geschlossen waren. Nun allerdings herrscht achtloses Gedrängel, und Abstand zu halten ist unmöglich.

Beim Betreten der Läden kommt die Luca-App zum Einsatz. Die Lizenzen dafür hat der Staat bezahlt. Warum eigentlich? Ich dachte, es gelte die Marktwirtschaft.

Die Schuhe sind schnell beschafft. In dem Geschäft war ich auch beim letzten Mal, vor bald einem Jahr, als nur das Tragen einer Maske vorgesehen war und der Betrieb ähnlich geringer als zu „normalen“ Zeiten.

Im ersten Bekleidungsgeschäft mache ich eine Beobachtung, die ich nur laut sagen kann, indem ich gegen vorherrschende politische Korrektheitsvorschriften verstoße: es sind vor allem gruppenweise junge muslimische Frauen unterwegs. Über die Gründe kann ich nur spekulieren und halte lediglich fest, dass es sie geben muss.

Ich finde nicht eine Hose in meiner Größe zu einem erschwinglichen Preis und muss ein zweites Geschäft aufsuchen. Dort verteilt sich das Publikum lockerer über die Etagen, und an der Kasse ist keine Schlange. Ich werde fündig und fliehe das Areal.

Es ist warum und stickig, und das Maskentragen wird lästig. Die Außen-Gastronomie, wie die entsprechenden Einrichtungen seit Corona genannt werden, ist voll besetzt. Das Herdentrieb sucht wieder die Masse, das ist seine Normalität. Ich bin froh, dem Getriebe in meine Wohnung zu entkommen, rechtzeitig vor dem Platzregen, der draußen nieder geht.

Bei offener Balkontür höre ich erstmals wieder seit vielen Monaten mehrköpfiges Gequatsche von nebenan und vom Badezimmer aus bis weit nach Mitternacht das Gegröle betrunkener junger Frauen. Die Normalität ist zurück mit Lärm und Suff.

Inzwischen war ich bei einer Innenraum-Veranstaltung, einer Lesung im Literaturhaus Hamburg, als eine von 25 Personen, die mit einem Schnelltest ihre Virenfreiheit belegen und dennoch eine Maske tragen mussten. Neben mir saß jemand, der bereits zwei Mal geimpft ist, aber dennoch einen Test vorweisen musste. Man kann es mit der Sicherheit auch übertreiben. Als mir jedoch am Ende der Veranstaltung jemand die Hand reichte, zuckte ich zurück. Ich war vor 2020 kein begeisterter Händeschüttler und werde diese Gewohnheit gewiss nicht wieder annehmen. So wenig wie ich Leute, die ich gerade kennen gelernt habe, duze.

Im Alltag benehmen sich die Leute längst so, als sei die Seuche ausgestanden und fallen sich bei jeder Gelegenheit wieder in die Arme. Meinetwegen sollen sie das tun, solange sie mir vom Leib bleiben und nicht ins Gesicht atmen. Ich habe noch sechs Wochen bis zur zweiten Impfung durchzustehen und werde kein Risiko eingehen.

Freilich habe ich nie das Bedürfnis gehabt, in einer Menschenmasse aufzugehen, und kein Problem damit, Abstand zu halten. Dieser Tage hat es mich tagsüber in das Schanzenviertel verschlagen, wo sich abends die Menschen ballen und besoffen übereinander herfallen. Ich fand keinen Gefallen daran, mich über viel zu schmale Gehwege zu drängeln. Die Leute sind eilig und gehetzt oder zu mehreren unterwegs. Sie haben offenbar alle etwas Unaufschiebbares vor. Flanieren kann man hier nicht. Wer sich langsam und ziellos bewegt, wird angerempelt. Die Fußgänger benehmen sich wie Autofahrer, denen die vorgeschriebenen 50 Stundenkilometer zu langsam sind und die jeden, der sich daran hält, anhupen. Von den Radfahrern, die sich durch die Massen schlängeln und erwarten, dass man ihnen Platz macht, ganz zu schweigen.

Nein, Corona hat nichts verändert. Vielmehr benehmen die Leute sich nun, nachdem sie die Seuche als beendet begreifen, noch rücksichtsloser als vorher, als müssten sie die Achtsamkeit des vergangenen Jahres möglichst rasch abschütteln.

Die Inzidenzen sind einstellig, aber eine neue Virus-Variante breitet sich aus. In Anbetracht der alten Hemmungslosigkeit könnte die vierte Welle schon vor dem Herbst durch das Land rollen. Dieselben Politiker, die gestern Lockerungen verkündeten, warnen nun wieder. Noch ist erst ein Drittel der Bevölkerung hierzulande vollständig immunisiert, und weltweit kann selbst davon keine Rede sein. Schon geht das Herumgereise wieder los.

Wenn ich höre, wie jemand klagt, er wolle „sein Leben zurück“, steigt mein Blutdruck. Der Bundesaußenminister hat soeben seine komplette Verantwortungslosigkeit unter Beweis gestellt, indem er das Ende der seuchenvorbeugenden Einschränkungen forderte, voran die Maskenpflicht. Dass das Bundesgesundheitsministerchen widersprach, soll diesem hier ausdrücklich zu Gute gehalten werden.

Ich habe inzwischen meine zweite Impfung erhalten, entgegen dem Trend, wonach Gesindel wie ich verhältnismäßig weniger geimpft wird. Nach 14 Tagen könnte ich so tun, als sei die Seuche für mich vorbei und meine Grundrechte einklagen. Aber ich bin kein wahlkämpfender Politiker und habe meine Bücher selbst geschrieben. Die Politikerkaste strengt sich in jeder Hinsicht an, das gesellschaftliche Niveau auf ihre Sandkastenebene herunter zu ziehen. Die 100.000-Marke an Toten kommt in Sicht, aber das schert schon keinen mehr, denn der Bundespräsident hat das Thema erfolgreich abgehakt.

Der Arzt, bei dem ich meine zweite Spritze verpasst bekommen habe, sah eher skeptisch auf den Herbst, wenn Kinder das Virus weiter verbreitet haben werden. Wenn jene, die sich nur im Gewühl wohl fühlen, ihr Leben zurück erhalten haben werden.

Corona war gestern, heute ist wieder Klimakatastrophe angesagt. Die Jüngerinnen und Jünger der Heiligen Jungfrau frohlocken über die Toten des Hochwassers in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, weil diese ihre apokalyptischen Ahnungen bestätigen. Sie, die kein Fleisch essen, sind die besseren Menschen und haben das Vorrecht, alle anderen zu maßregeln. Wer ihnen widerspricht, ist böse und gehört ins Fegefeuer. Wer nicht die Grünen wählen will, ist ebenfalls des Teufels. Mit den Klimakatastrophenpredigern und -predigerinnen zu diskutieren ist so vergeblich wie mit Corona-Leugnern zu argumentieren. Gläubige, wohin man sieht. Wer nicht Gefahr laufen will, gesteinigt zu werden, schweigt besser.

Gestern (21. Juli 2021) im Café: Ich melde mich mit der Luca-App an, mein Begleiter füllt einen Zettel aus. Ich vergesse, mich auszuloggen und bleibe virtuell eine halbe Stunde länger im Lokal als tatsächlich; mein Begleiter trägt sich gar nicht aus. So viel zur „Kontaktverfolgung“. Unterdessen sorgen Reiserückkehrer für einen Anstieg der Infektionszahlen.

Mein Begleiter und ich sind vollständig geimpft, aber was heißt das schon? Während sich Impfmüdigkeit breit macht, wird klar, dass der nächste Lockdown im Herbst absehbar ist. Weil jene, die gar nicht geimpft sind, so tun, als sei die Seuche bereits ausgestanden und auch Geimpfte das Virus verbreiten.

Die Medien sind mit den Hochwassern in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz beschäftigt und tun ihr Möglichstes, Corona aus dem Bewusstsein zu verdrängen. Aus der lokalen Katastrophe wird in den Berichten der Weltuntergang durch den Klimawandel. Die Seuche ist eine Katastrophe, die alle betraf und von allen Verhaltensänderungen fordert. Damit soll nun endlich Schluss sein. Stattdessen wird eine Katastrophe beschworen, zu deren Abwendung Verhaltensänderungen seit 30 Jahren möglich gewesen wären, aber ausblieben.

Jetzt sollen die Grünen es richten. Zumal die unter 30-Jährigen werden bei der Bundestagswahl für diese votieren. Und danach wird es weitergehen wie bisher. Dass die heute unter 30-Jährigen sich anders verhalten als die vor 30 Jahren unter 30-Jährigen können nur die heute unter 30-Jährigen glauben. Die über 60-Jährigen wählen wie gehabt CDU/CSU, weil sie erfahren haben, dass parteipolitische Entscheidungen die Realität nicht tangieren. Und das sollen sie gefälligst auch nicht.

Die Seuche hat gezeigt, wie lange die breite Masse bereit ist, ihr eigenes Verhalten an der Vernunft auszurichten. Dieselben unter 30-Jährigen, die den älteren Generationen in Hinblick auf den Klimawandel Vorwürfe machen, infizieren sich ungeimpft bei ihren lebensnotwendigen Partys. Und die Parteien reden mal diesen, mal jenen nach dem Mund und hoffen zu Recht darauf, dass ihr Opportunismus vergessen sein wird, sobald mehr als Sprücheklopfen erforderlich wäre.

Ich sollte jemand zu einer Lesung im Hamburger Gängeviertel begleiten. Mein Ärger begann damit, dass die Veranstalter es nicht für nötig hielten, irgendwelche Corona-Regeln auf ihrer Homepage mitzuteilen. Wenigstens wies das darauf hin, dass sie selbst bereit waren, so zu tun, als sei die Seuche bereits ausgestanden und die Vorschriften bestenfalls pro forma zu befolgen. Wenige Tage vor der Veranstaltung erfahre ich, nicht auf der Homepage der Veranstalter, sondern durch den, den ich begleiten sollte, dass ein aktueller Negativ-Test erforderlich ist.

Mir reicht es. Ich habe mich seit März 2020 so verhalten, dass ich mich nicht infiziere und niemanden anstecke. Jetzt wird gelockert, was das Zeug hält, die Partymeute ist losgelassen und Reisende schleppen das Virus aus dem Ausland ein. Wenn irgendwer sich bei irgendwem ansteckt und ich mich zufällig zur selben Zeit in demselben Café oder bei derselben Lesung aufgehalten habe, obwohl ich den Betreffenden nicht zu nahe gekommen bin, mich nicht infiziert habe, muss ich dennoch in Quarantäne. In Hamburg, aber in Bremen nicht. Schwachsinn ohne Methode. Wenn es so weitergeht, bekommen die Querdenker Recht.

Wenn meine Impfung offenbar nichts wert ist, dann hätte ich sie mir auch schenken können. Ich kann auf Cafébesuche, Lesungen, auf Kino und Theater verzichten, und die Mühsal einer Quarantäne, die mich vor logististische Herausforderungen stellen würde, werde ich deswegen schon gar nicht riskieren. Also bleibe ich der Lesung fern und verhalte mich weiter so, als sei ich nicht geimpft und als wären alle, denen ich begegne, mit dem Virus versehen. Bis die Seuche wirklich ausgestanden ist. Solange ich damit rechnen muss, für den Leichtsinn anderer in Mithaftung genommen zu werden, kann mir das so genannte Kulurleben gestohlen bleiben. Es ist den Aufwand nicht wert.

Alles schon mal dagewesen. Es ist Sommer, und die Seuche ist vergessen. Reisende, Partypeople und Fußballfans sorgen für steigende Infektionszahlen. Die vierte Welle ist im Anmarsch, und der Herbst wird wieder fürchterlich. Ob man geimpft ist oder nicht, macht keinen Unterschied. Die Corona-Leugner sind im Aufwind, weil die Politikerkaste sie als Wähler nicht verprellen will. Über eine Impfpflicht oder Beschränkungen für Ungeimpfte soll erst nach der Bundestagswahl entschieden werden.

Das Kulturleben! Die Kinder! Die Interessen derer, die am lautesten schreien oder die beste Medienlobby haben, bestimmen den Kurs. Alle anderen können sehen, wo sie bleiben. Alles schon mal dagewesen.

Für mich ist Corona erledigt. Das soll nicht heißen, dass ich die Seuche für ausgestanden halte, aber sie geht mich nurmehr peripher an. Was Politik und Medien dazu ablassen, wird von Tag zu Tag belangloser und ist keines weiteren Gedankens würdig. Für meinen Alltag spielt die Infektionsgefahr keine Rolle mehr. Niemand kommt mir nah genug, um mich trotz vollständiger Impfung zu infizieren, und mein Bedürfnis, anderen näher zu treten, ist so gering wie eh und je.

Die Teilnahme am so genannten Kulturleben ist mir ohnehin verschlossen, weil es Geld kostet, über das ich nicht verfüge. Ob Schnelltests künftig bezahlt werden müssen oder nicht, kann mir egal sein, denn ich kann mir den Eintritt für irgendeine Veranstaltung nicht leisten, und würde ich eingeladen, verzichte ich, weil keine Darbietung es mir wert ist, dafür eine Quarantäne zu riskieren, zu der ich in Hamburg weiterhin verdonnert wäre.

Das ist allerdings bemerkenswert: wenn ich als Geimpfter aus dem Urlaub zurückkehre, muss ich nicht in Quarantäne; wenn ich zufällig in derselben „Außengastronomie“ eingeloggt bin, in der sich ein Infizierter aufhält, muss ich mich isolieren. Nichts verdeutlicht mehr den Schwachsinn der staatlichen Maßnahmen, die offenbar vor allem darauf abzielen, die als „Querdenker“ verharmlosten Corona-Leugner und andere Impfunwillige mit Argumenten zu bedienen. Aber wie gesagt, über Politikerkaste und Mediengeschmeiß weitere Worte zu verlieren ist Vergeudung von Lebenszeit.

Aber nein, das darf nicht sein, dass Druck auf Ungeimpfte ausgeübt wird! Wo kämen wir denn hin, wenn die Regierung unsoziales Verhalten ahnden würde! Ach, das tut sie ständig, indem sie Gesetze beschließt? Na ja, aber so eine Pandemie ist ja etwas anderes. Jedenfalls, wenn sie sich mit einem Bundestagswahlkampf überschneidet. Und weil der Bundespräsident die Trauerfeier für die Opfer der Seuche bereits vor Monaten abgehalten hat, können jetzt gern noch ein paar Leute sterben. Wie viele sind es überhaupt inzwischen? Keine Ahnung, das wird nicht mehr vermeldet. Augen zu und durch. Irgendwie sind die Corona-Leugner doch im Recht: alles nur Panikmache. Man hätte sich den ganzen Aufwand sparen können. Wozu denn impfen, wenn die Seuche sich ohnedies in Wohlgefallen auflöst?

Heribert Prantl ist ein kluger Mann. Aber von der sozialen Realität hat er offenbar so wenig Ahnung wie die allermeisten Publizisten, von den Politikern ganz zu schweigen.

Wer nicht geimpft sei, sagt er im → NDR, werde „von der Gemeinschaft, er wird von der gesellschaftlichen Teilhabe, er wird vom Leben praktisch ausgeschlossen – wenn er sich nicht impfen lässt oder er sich die dauernden Tests nicht leisten kann.“

Arme sind bereits von dem ausgeschlossen, was Prantl „Gemeinschaft“ nennt und als „Leben“ versteht. Der Arme nimmt nicht an Kulturveranstaltungen teil, besucht weder Fußballstadien noch Diskotheken – es sei denn, er spart sich die Eintrittsgelder buchstäblich vom Munde ab, indem er dafür fastet. Der Arme betritt allenfalls Lebensmittelgeschäfte, und zwar gewiss nicht mit einer frischen Maske. Für den Kauf anderer Waren als den lebensnotwenigen fehlt ihm bereits das Geld.

Der Arme braucht keine Tests. Die „Exklusion der Exkludierten“, von der Prantl spricht, ist eine Fiktion, die aus seiner Unwissenheit entstanden ist. Für die Ausgesonderten ist bereits der öffentliche Nahverkehr Luxus.

Ich habe genau zwei Mal einen Schnelltest gemacht: vor einem Besuch in der Kunsthalle und vor einer Lesung im Literaturhaus. Ich war eingeladen und musste den Eintritt nicht selbst entrichten, sonst wäre ich gar nicht erschienen. Dasselbe gilt für das Fahrgeld, um dorthin und wieder zurück zu gelangen. („Warum hast du denn kein Fahrrad?“, werde ich von wohlsituierten Bürgern gefragt. „Weil das Geld kostet.“)

Dass ich inzwischen geimpft bin, verschafft mir keinerlei „gesellschaftliche Teilhabe“. Für die Armen macht die Impfung allenfalls einen Unterschied im privaten Umfeld. Und wenn die Maskenpflicht im Supermarkt abgeschafft sein wird. Das private Umfeld von Armen besteht in der Regel aus anderen Armen, weil sie Leuten wie Prantl und seiner Klasse nie begegnen.

Dass die Ausgesonderten sich seltener um eine Impfung bemühen hat ebenfalls Gründe, von denen Leute wie Prantl keinen Schimmer haben. Ist man erst einmal ausgesondert, interessiert einen nicht, was seine „Gemeinschaft“ umtreibt, zu der man nicht gehört. Indem er vorgibt, für sie zu sprechen, redet Prantl an den Ausgesonderten vorbei. Seine Scheinargumente unterstützen bestenfalls die Position der FDP und Impfgegnern wie der AfD, also von Leuten, in deren Perspektive die Ausgesonderten froh sein können, dass man sie überhaupt am Leben lässt.

30. August 2021: In Stade demonstrieren Corona-Leugner gegen eine „Impfpflicht“ – schreibt das Stader Tageblatt. Die Korrupten, Verantwortungslosen und Schwachsinnigen bilden nach wie vor eine große Koalition. Auch die FDP und Linkspartei schwafeln von einer „Impfpflicht durch die Hintertür“, weil die nichtswürdigenden Argumente gegen eine Impfung nicht dadurch belohnt werden, dass die Geimpften gegenüber den Ungeimpften zurückstecken müssen.

Die scheidende Kanzlerin dreht noch einmal am Rad und will „3G“ (Geimpfte, Genesene, Getestete) für Fernzüge einführen. Dass die Infektionsgefahr bei bereits bestehender Maskenpflicht nicht nennenswert ist, interessiert sie nicht. „2G“ will sie aber auch nicht. Damit der neu entdeckte Zweig der freien Marktwirtschaft namens Testcenter noch ein bisschen länger Profit machen kann?

Von einer Impfkampagne ist lange nichts mehr zu hören. Politik und Medien sind mit dem Afghanistan-Desaster beschäftigt, das nach ähnlichem Muster ablief wie die Corona-Krise: dumme Sprüche und halbherzige Taten, die am Ende zu Toten führen.

Statt Rückgrat zu zeigen, eiern die Verantwortlichen wie seit eineinhalb Jahren herum. Die AfD und die Corona-Leugner bestimmen den Kurs: gemessen an den Maßnahmen der Regierung ist die Seuche halb so wild. Unterdessen sterben weiter Menschen. Aber in den Medien spielen sie schon lange keine Rolle mehr.

Schwurbler, die ihre vermeintliche Freiheit gegen Krankheit und Tod in Stellung bringen, erweisen sich seit Monaten als machtvoller als die Mehrheit, die sich hat impfen lassen. Wie in Afghanistan sagen Ideologen ohne Wirklichkeitsbezug wo es lang geht. Der laufende Wahlkampf macht klar, dass es auch mit der nächsten Regierung, egal wie sie sich zusammensetzt, so weiter gehen wird. Die Korrupten, Verantwortungslosen und Schwachsinnigen werden am Steuer sitzen, und das Stader Tageblatt wird ihnen Schützenhilfe leisten.

Auto-Korso der Corona-Leuger an den Landungsbrücken in Hamburg am 4. September 2021

Der Herbst naht, die Intensivstationen füllen sich. Auf St. Pauli lassen sich die Leute mit Pizza dazu locken, sich impfen zu lassen. Immerhin. Der harte Kern der Corona-Leugner, der die Politikerkaste von Anfang an vor sich her getrieben hat, ist weiterhin einflussreicher als ihm zukommt und bestimmt, wohin das Pandemiegeschehen geht.

Die Regeln, die weiterhin gelten, werden zunehmend ignoriert. An der Supermarktkasse gibt es wieder die Drängler, die einem auf die Hacken treten, als würden sie so schneller an die Reihe kommen. Politik und Medien sind mit ihren Selbstdarstellungsshows beschäftigt. Das Sterben hat nicht aufgehört, aber die Blähungen der Fürze nehmen auf der Tagesordnung längst wieder mehr Raum ein.

Im Bundestagswahlkampf spielt das Komplettversagen der Politikerkaste keine Rolle. Alle Seiten haben sich darauf geeinigt, so zu tun, als sei die Seuche bereits ausgestanden. Das überfällige Scherbengericht ist ausgeblieben, und das korrupte Mediengeschmeiß spielt willfährig mit.

Eine Zeit lang schien es, als könne Corona mit einigen schlechten Gewohnheiten aufräumen. Aber das war eine Täuschung.

Zu Corona fällt mir nichts mehr ein. Die Impfunwilligen, die von einer politischen Klasse, die seit Monaten nur mit sich beschäftigt ist, gehätschelt werden, verhindern eine Veränderung der Lage. Solange die Schwurbler den Diskurs bestimmen, werde ich eine Maske tragen und Abstand halten, weil ich außerhalb der eigenen vier Wände nicht sicher sein kann, auf keinen der Verantwortungslosen, die sich als Freiheitskämpfer ausgeben, zu treffen.

Immerhin ist niemand, an dem mir liegt, unter die Covidioten gegangen, und ich kann mich damit begnügen, das Geschwurbel aus der Ferne wahrzunehmen. Wer bis heute nicht geimpft ist – unter welchem Vorwand auch immer –, mit dem ist nicht mehr zu reden.

Vor ein paar Tagen war ich ausnahmsweise auf einer Veranstaltung in einem Innenraum. Der Impfnachweis war ebenso obligatorisch wie das Tragen einer Maske. Es war eng und stickig, und die Maske eine Last. Ich hatte nach kurzer Zeit keine Lust mehr auf solchen Krampf und bin gegangen. Körperwärme allein macht noch keine Kultur.

Dicht an dicht gedrängte Leiber, die sich gegenseitig ins Gesicht atmen, waren noch nie mein Ding, und Corona hat gezeigt, wie entbehrlich sie sind. Die Zivilisation ist im Lockdown nicht untergegangen. Im Gegenteil: nachdem die Fußballstadien wieder voll sind, zeigt sich, was sie stets waren: Brutstätten des Massenwahns, der sein wahres Gesicht als Rassismus zeigt.

An der Supermarktkasse wird wieder gedrängelt. Die Politikerkaste ist mit Postenschacher und Wolfsgeheul befasst. Die Normalität ist mit solcher Macht zurückgekehrt, dass ich mir den Lockdown zurück wünsche.

Es wird kälter, man drängt sich wieder in Innenräumen, und die Ansteckungsraten steigen. Die Impfquote stockt, doch statt den Druck auf die Ungeimpften zu erhöhen, wird mal wieder Fußball gespielt. So wie es seit Beginn der Pandemie Sonderregeln für das Gekicke gab, wird nun von Schwurblern und anderen Schwachsinnigen ein Fußballspieler auf Händen getragen, der sich nicht impfen lassen will, weil er Langzeitfolgen fürchtet – nicht durch die Seuche, sondern durch die Impfung. Und wie sie alle dabei die Freiheit beschwören! Fehlt nur noch, dass die Knallcharge in kurzen Hosen ins Ausland übersiedelt, um dort keine Steuern zu zahlen, wo er seine Millionen verdient. Das pflegen diese „Vorbilder“ doch zu tun. Dieser Herr Kimmich ist das lebende Beispiel dafür, wie verrottet die Gesellschaft ist, die sich durch ihn als „Nationalspieler“ repräsentiert fühlt.

Nachdem die politische Klasse sich ein paar Wochen lang fast ausnahmslos mit sich selbst beschäftigt hat, hat sie der Corona-Herbst wie schon im letzten Jahr überrascht und voll erwischt. Ogottogott, es wird kälter, und die Leute drängen sich in Innenräumen zusammen, was tun wir bloß?

Ein bereits abgehalfterter Bundesgesundheitsminister schwafelt wie gehabt widersprüchlich und verlogen vor sich hin, während in den Medien darüber gerätselt wird, warum 30 Prozent der Bevölkerung sich nicht impfen lassen wollen. Ja, warum wohl? Weil Politik und Medien seit bald zwei Jahren mal Hü, mal Hott rufen und sowohl die Verunsicherung der einen ebenso wie die Impfgegnerschaft der anderen sehenden Auges gefördert haben.

Kostenlose Tests und Impfzentren sind eben erst abgeschafft worden – nun sollen sie wieder eingeführt werden. Und nein, niemand von den Dummschwätzern übernimmt Verantwortung. Vielmehr hocken sie sich in die Talkshows und zeigen auf irgendwen anders, der gerade nicht da ist, der die Misere verschuldet haben soll.

Die Kontaktnachverfolgung soll inzwischen Privatsache sein. Niemand erklärt, dass dies offenbar ein Totalversagen der Gesundheitsämter bedeutet. Stattdessen wird weiterhin aufgefordert, sich allenthalben mit einer App einzuloggen, deren Daten nicht nur nicht abgefragt werden, sondern die bereits als überflüssig dargestellt worden sind.

Und in den Medienhäusern sitzen zuhauf Schlafschafe, die nachblöken, was ihnen vorgesagt wird, und offenkundige Frage an die politischen Entscheidungsträger ungestellt lassen. Mit jedem Tag, der vergeht, werden Corona-Leugner und sonstige Schwurbler ins Recht gesetzt. Corona war ein Lackmus-Test für alle demokratischen Institutionen, und sich haben sämtlich als Attrappen erwiesen.

Verunsicherung erzeugen – darauf versteht sich die Politikerkaste nach wie vor am besten. Der neueste Coup der kriminiellen Vereinigung: nein, nicht die Impfpflicht oder sonst ein Versuch, die Impfquote zu erhöhen. Während die Ungeimpften unverdrossen gehätschelt werden, werden die, die sich haben impfen lassen, verunsichert. Nach sechs Monaten soll das Impfzertifikat ungültig werden – höchstwahrscheinlich für viele wie mich schneller, als ich einen Termin für die Auffrischungsimpfung erhalte, denn da schlampen die Verantwortlichen auf allen Ebenen was das Zeug hält.

So jedenfalls tönt der Mann ohne Gedächtnis, vom dem die dummen Deutschen sich bis auf Weiteres regierten lassen. Kommando zurück, heißt es bald darauf, war alles nicht so gemeint, wie er es gesagt hat. „Wenn ein Bürger seine zweite Impfung etwa Anfang Juli bekommen hat, ist die Sechsmonatsfrist Anfang Januar abgelaufen. Mit der geplanten Übergangsfrist soll er aber bis Februar, März oder gar April Zeit bekommen. Das muss politisch noch ausgehandelt werden.“

Politisch muss da nichts ausgehandelt werden. Vermutlich aber hat man den Kanzler in spe in seinem Raumschiff darauf hingewiesen, welches Chaos er und seine Bande in der Wirklichkeit angerichtet haben. Zum Beispiel wurde in der Stadt, deren Erster Bürgermeister er war, ein Impftermin angekündigt und Hunderte warteten in der Kälte vor der Tür, bis die Polizei sie weg schickte. Ein Kommunikationsproblem habe angeblich vorgelegen. Auf deutsch: die Behörden haben mal wieder versagt, weil die Politikerkaste sie ebenso überfordert wie den Rest der Gesellschaft mit ihrem hirntoten Hin und Her, das von hohlen Geschwätz garniert wird.

Corona war der Testfall für die Demokratie. Und sie hat jämmerlich versagt, weil ihre Repräsentanten aus verantwortungslosem Gesindel besteht. (Rest unleserlich, weil die Tastatur voll gekotzt wurde.)

Bereits bevor es überhaupt Impfstoffe gab, mobilisierten die Leugner der Seuche den Widerstand gegen eine Impfpflicht. Und die Politikerkaste folgte ihnen einvernehmlich willig.

Inzwischen haben die Opportunisten und Populisten an der Macht mehrheitlich einen Schwenk vollzogen und stellen eine Impfpflicht in Aussicht. Die Corona-Leugner schreien nun erst recht „Diktatur“ und werden sich die Spritze nicht ohne Gewaltanwendung setzen lassen.

Aber das Ganze ist ohnehin nur ein Ablenkungsmanöver. Schon vor längerem wurde bekannt, dass die Angaben über die Impfquote unzuverlässig sind, weil offenbar niemand ordentlich Buch über die verimpften Dosen geführt hat. Angeblich ist sie höher als angegeben. Aber sie könnte ebensogut niedriger sein, denn nichts Genaues weiß man eben nicht.

Während die Einführung einer Impfpflicht schon so gut wie beschlossen ist, wird mit Überraschung festgestellt, dass es ja gar kein Impfregister gibt. Ei der Daus! Um Verstöße gegen eine Impfpflicht zu ahnden, wäre es allerdings unabdingbar, dass irgendwo niedergelegt wäre, wer bereits geimpft ist.

Nun rauchen die Köpfe der Schlafmützen, die das Land regieren. Soll mithin jeder, der einen gültigen Impfpass hat, irgendwo antreten, um sich registrieren zu lassen? Muss wohl so sein, denn da die Impfquote schon nicht präzise feststellbar war, gibt es offenbar keine Stelle, die korrekte Informationen über die gesetzten Spritzen hat.

In meinem selbst gewählten Lockdown war der Erhalt meiner dritten Spritze die Gelegenheit, bei der ich den meisten riskanten Kontakten ausgesetzt war, indem ich mich mit Dutzenden anderer in einem geschlossenen Raum aufhielt, während ich wartete, an die Reihe zu kommen. Soll ich mich nun, um in das Impfregister eingetragen zu werden, einer ähnlichen Prozedur unterziehen? Oder muss ich dazu durch die halbe Stadt fahren, um irgendwo stundenlang im Freien in einer Schlange zu verharren, damit der Eintrag vorgenommen werden kann?

Konzerte oder Theateraufführungen kann ich mir ohnehin so wenig leisten wie Aufenthalte in gastronomischen Einrichtungen. Tatsächlich sind Aufenthalte im Supermarkt und seltene Fahrten in Bus und Bahn die einzigen Gelegenheiten, bei denen ich mit unbekannten Virenschleudern zu tun habe. Ich werde also den freiwilligen Lockdown fortsetzen und den Rest der Welt ihre Scheindebatten führen lassen.

Falls ich aufgefordert werde, mich irgendwohin zu begeben, um mich in ein Impfregister eintragen zu lassen, werde ich das geflissentlich ignorieren. Die Wahrscheinlichkeit, in eine Impfkontrolle zu geraten, ist gering. Bei keiner meiner letztmaligen Bus- und Bahnfahrten bin ich nach einem Impfnachweis gefragt worden – so wenig wie ich einen Fahrschein vorzeigen musste.

Und falls ich in eine Kontrolle gerate, kann ich belegen, dass ich geimpft bin. Muss ich dann trotzdem mit einem Bußgeld rechnen, weil ich mich nicht ins Impfregister habe eintragen lassen?

Die Corona-Leugner sind nur die Spitze des Schwachsinns, der das Land ergriffen hat.

Impftermine in Hamburg werden abgesagt, weil kein Impfstoff vorhanden ist. Aber der Erste Bürgermeister höchstselbst setzt an einem Feiertag im Rathaus die Spritze. Die Impflinge müssen draußen im Stehen in langen Schlangen warten, denn die Infrastruktur fürs Impfen wurde von Staats wegen abgeschafft. Die Medien jubeln über lächerliche tausend Leute, die die Impfquote nicht merklich erhöhen. Und nein, sie nennen das ganze keinen peinlichen Zirkus von inkomptenten Affen, die ihrem eigenen Versagen hinterher laufen. So gibt man den Affen, die von „Diktatur“ brüllen, Zucker. Denn eine Demokratie, in der die Medien den Herrschenden gehorsam hinterher laufen, ist tatsächlich keine.

Der französische und der kanadische Präsident machen Schlagzeilen mit klaren Ansagen an die Schwurbler. Hierzulande wird hingegen vor einer „Spaltung der Gesellschaft“ gewarnt und immer wieder ein Schulterschluss mit denen gesucht, die sich für das auserwählte Volk halten und dem „System“ den Kampf angesagt haben. So ist jahrzehntelang mit Neonazis umgegangen worden, bis sie als AfD in den Bundestag einziehen konnten. Statt klarer Ansagen an sie sind jene diskriminiert worden, die sich ihnen entgegenstellten.

Die Gesellschaft ist längst vielfach gespalten: in arm und reich, oben und unten. Und sie war schon vor Corona keine „Gemeinschaft“. Die Seuche hat den Feinden der Demokratie Aufwind verschafft, und die Politikerkaste und ihre Handlanger in der Redaktionen der Talkshows haben die Aufmerksamkeit vergrößert für jene, die faktenfrei schwafeln.

Der Bundeskanzler schweigt dröhnend, und der Bundespräsident, der sich für einen Vorbeter hält, ist mit der Werbung für seine zweite Amtszeit beschäftigt. Klare Ansagen sind nicht zu erwarten, weil die Repräsentanten der Demokratie nicht ihre Verfechter sind, sondern höchstenfalls ihre Verwalter.

11. Januar 2022: Erst dachte ich, ich spinne. Aber nein, ich ticke noch richtig. Jemand anders hat den Arsch offen.

Ich habe Post bekommen von der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration. Habe ich was vergessen? Nee, das sind wohl alle Zuständigkeiten.

Behördenpost ist selten etwas Gutes, also habe ich erst einmal einen Schreck bekommen.

Rückblende: Seit bald zwei Jahren hält ein Virus die Welt in Atem. In dieser Zeit hat mich die oben genannte Behörde nicht ein einziges Mal direkt angesprochen, sondern darauf gesetzt, dass ich mich selbst informiere. Über die Maßnahmen, die der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg gegen die Verbreitung des Virus beschlossen hat und die mich betrafen, habe ich mich selbst in Kenntnis setzen müssen. Eine direkte Ansprache hat es nie gegeben.

Nun plötzlich aber! „Informationen zur Auffrischungsimpfung gegen Covid-19“.

Was, wie? Was soll das? Das tangiert mich seit einem Monat nicht mehr. Davor wäre es vielleicht angezeigt gewesen, mich ordentlich darüber zu informieren, wann in Hamburg eine Boosterimpfung erlaubt ist. Tatsächlich herrschte Informationswirrwarr. Hausärzte konnten vor Ablauf von sechs Monaten nach der zweiten Impfung die dritte Spritze geben, bei den Impfstellen galten mal fünf, mal vier Monate. Da wäre Aufklärung angezeigt gewesen, zu der die Behörde für Arbeit etc. sich auch auf der offiziellen Website der Stadt nicht imstande sah.

„Bitte gehen Sie wie folgt vor: Schritt 1: Vereinbaren Sie einen Impftermin bei ihrem Haus- oder Facharzt. Melden Sie sich dafür direkt in der Praxis.“

Hat man in der besagten Behörde eigentlich schon mitbekommen, dass die Hälfte der Einwohner über gar keinen Hausarzt verfügt?

Hat man nicht. Schritt 2 lautet: „Sofern in Ihrer Praxis keine Kapazitäten bestehen oder keine Impfungen angeboten werden, prüfen Sie, welche andere Praxis in Ihrem Stadtteil freie Kapazitäten hat.“

Da müsste stehen: Da Sie mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit über keinen Hausarzt verfügen, etc.

Unter Schritt 3 findet sich dann eine Liste von Impfzentren. Das von einem Arzt betriebene, in dem ich mir ohne Termin eine Spritze habe verpassen lassen, steht dort nicht.

Meine Deutschkenntnisse sind überdurchschnittlich, und ich bin meistens sogar fähig, Behördendeutsch zu verstehen. Manche Empfänger dieses Schreibens brauchen womöglich Hilfe bei der Lektüre. Ob man daran bei der Behörde für […] Integration gedacht hat? Rhetorische Frage.

Also: Arschwischpapier. Von Nutzen allein für die Post, die dafür Porto kassiert hat. Und ein Beispiel für die Art und Weise, wie die Behörden mit der Realität der Seuche umgehen. Sie wird verwaltet. Mehr nicht.

Eigentlich wollte ich ja nicht hingehen. Bei den bisherigen Demonstration der Corona-Leugner, Impfgegener, Verschwörungsideologen und Neonazis hatte sich die Polizei so auffällig rücksichtsvoll verhalten, weil die Teilnehmer angeblich aus dem „bürgerlichen“ Milieu stammten, dass damit zu rechnen war, dass sie hemmungslos zuschlagen könnte, wenn nun jene auf die Straße gingen, die sie und eine gewisse Presse als „linksradikal“ ansahen.

Eine erneute Großdemonstration der Schwurbler am 15. Januar 2022 war gerichtlich untersagt worden. Zur Begründung wurde angeführt, dass zu erwarten sei, dass die Maskenpflicht und die Abstandsregeln nicht eingehalten würden. Tatsächlich hatte die Polizei über die letzte Demonstration am 8. Januar mitgeteilt: „Der ganz überwiegende Teil der Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer ist den Verpflichtungen […] nachgekommen.“ Fotos und anderen Beobachtungen vor Ort zufolge ignorierte hingegen mindestens ein Drittel die Regeln.

Wie auch immer: der Polizei war so wenig zu trauen wie der Politik, von der die Schwurbler seit bald zwei Jahren verharmlost und verhätschelt werden. Mich hätte es nicht gewundert, wenn auf der Gegendemonstration keine Abstände einzuhalten gewesen wären, weil die Teilnehmer von der Polizei bedrängt worden wären.

Dann aber rief mich ein Freund an, und ich verabredete mich mit ihm. Er ist demonstrationserfahren, und wenn ich mit ihm unterwegs war, kamen wir nie in heikle Situationen.

1000 Teilnehmer waren angemeldet worden, aber es wurden drei Mal so viel, so dass die Organisation offenkundig überfordert war. Die Ansagen aus dem einen Lautsprecherwagen waren nur in dessen nächster Nähe zu hören. Der Umzug startete schon am Dammtor mit erheblicher Verspätung. An die Maskenpflicht hielten sich alle, aber beim Abstand haperte es. Mein Freund und ich gingen am Rand und kamen nicht ins Gedränge, das schon deshalb entstand, weil der Zug aus unerfindlichen Gründen immer wieder stoppte und stand.

Anti-Schwurbler-Demo Hamburg 15.1.22: Pyros am Stephansplatz

Die Polizei war nur locker verteilt präsent und bildete nicht den von mir befürchteten Kessel. Am Stephansplatz aber musste der Schwarze Block unbedingt Zicken machen und zündete Pyrotechnik, deren Gestank die Gegend verpestete. Sie gingen dicht aneinander gepresst und schirmten sich sogar mit Schirmen gegen eine polizeiliche Überwachung ab, die, soweit ich erkennen konnte, gar nicht stattfand. Die Diskussionen mit der Polizei über dieses infantile Verhalten brachte die ganze Veranstaltung auf dem Jungfernstieg zum Erliegen. Was immer für Durchsagen im vorderen Teil des Zuges gemacht wurden, waren für mich im hinteren Teil nicht zu verstehen. Vorne befanden sich die unsäglichen → „Omas gegen Rechts“ und johlten zur Freude der verblödeten Presse und derer, die meinten, ein Button genüge für ihren „Antifaschismus“.

Anti-Schwurbler-Demo Hamburg 15.1.22 auf dem Valentinskamp
Anti-Schwurbler-Demo Hamburg 15.1.22 auf der Bergstraße
Anti-Schwurbler-Demo Hamburg 15.1.22 vor der Hauptkirche St. Petri

Statt um wie vorgesehen um 14.30 Uhr am Gerhart-Hauptmann-Platz endete die Demonstration gegen 15.45 Uhr vor der Petrikirche. Wie dort zu vernehmen war, hatten auch zu viele und zu lange Redebeiträge auf dem Weg, von denen ich keinen gehört hatte, die Verzögerungen mitverantwortet.

Anschließend begaben mein Freund und ich uns zur Kunsthalle, wo sich trotz Verbots um die 300 Schwurbler versammelt hatten und von der Polizei verstreut wurden. Entlang des Glockengießerwalls, an der Mundsburg und in Wandsbek waren weitere unterwegs, insgesamt sollen es 5000 gewesen sein. Den Angaben ist nicht zu trauen. Der NDR zählte an der Kunsthalle mal 300, mal 3000 Schwurbler. Die beiden Wasserwerfer, die ich Richtung Mundsburg fahren sah, kamen in den Berichten gar nicht vor. Aufnahmen von den Schwurblern waren in den Medien lediglich von der Kunsthalle zu sehen, und dort waren es ganz gewiss keine 3000.

In der Innenstadt herrschte der gewöhnliche samstägliche Einkaufsbetrieb, und bei vielen, die am Glockengießerwall anzutreffen waren, handelte es sich nicht um Schwurbler sondern unbeteiligte Passanten oder Leute wie meinen Freund und mich.

Schwurbler, Passanten und Polizei am 15.1.22 in Hamburg am Glockengießerwall vor der Kunsthalle

„Mehrheitlich kämen die Teilnehmer der Demonstrationen aus dem bürgerlichen Spektrum“, sagt der Chef des Verfassungsschutzes in Schleswig-Holstein. Jene „braven Bürger“, die man damit assoziieren soll, ziehen derweil am Wohnhaus des Oberbürgermeisters von Gera vorbei. Nein, noch haben sie keinen gelyncht. Aber sie beharrlich als „bürgerlich“ zu bezeichnen, macht ihre Ansinnen und ihr Verhalten nicht weniger radikal, als sie sind.

Zur Erinnerung: die rassistischen Schreihälse von Pegida wurden ebenso verharmlost, und hochrangige Politiker warben um Verständnis für diese Bürger. Bis die AfD in den Bundestag eingezogen war, die aller Ignoranz der übrigen Parteien zum Trotz eben jene Bürger vertritt, die keine Radikalen sein sollen. Weil man sonst anders mit ihnen umgehen müsste.

Das Regime der Nationalsozialisten, das aller Welt bis heute als Menetekel vor Augen stehen sollte, wenn es um Radikalisierung in der Politik geht, wurde, entgegen der traulichen Legenden, zu denen gewisse Medien und manche Gedenkwütigen bis heute beitragen, nicht von Aliens oder Durchgeknallten, sondern von ganz gewöhnlichen Bürgern installiert und über einen Weltkrieg hinaus getragen. Dass die Teilnehmer an den Demonstrationen, die von ihnen wohlgesonnenen Medien als „Corona-Skeptiker“ halb ins Recht gesetzt werden, als gäbe es an der Seuche selbst etwas zu bezweifeln, „aus dem bürgerlichen Spektrum“ stammen, soll beruhigen, während es doch gerade das Gegenteil bedeutet.

Am 15. Januar 2022 stand ich unweit der Hamburger Kunsthalle mitten unter ihnen. Sie waren nicht zu unterscheiden von den übrigen Passanten oder von den Leuten, die inzwischen vermehrt in Geschäften randalieren, weil sie keine Maske tragen oder ihren Impfstatus nachweisen wollen. Vor 20 Jahren haben sie vor den Unterkünften von Asylbewerbern protestiert. Aber damals gab es noch kein twitter, und die Medien bemühten sich mehrheitlich, so zu tun, als handele es sich bei ihnen nur um sozial ausgegrenzte, jugendliche „Rechtsradikale“, die man tunlichst nicht Neonazis nannte, weil ihre Ansichten und Handlungen auf keinen Fall als Fortsetzung deutscher Geschichte verstanden sein sollte.

Denn die bürgerlichen Eliten mancherorts schicken ihren Nachwuchs mit Bedacht auf eine Waldorfschule, damit dieser nicht mit dem Plebs zusammen ausgebildet wird. Dass er dort die Lehren eines Mannes kennen lernt, der jenen Männerbünden angehörte, aus denen die ersten Nazis hervorgingen, wird schon mal gar nicht thematisiert. Ans Eingemachte darf die „Vergangenheitsbewältigung“ nämlich nicht gehen.

Dass die Leute, die an Geistheilung glauben, bisher nicht auf die Straße gingen und Morddrohungen gegen alle ausstießen, die ihren Wahn nicht teilen, heißt nur, dass es bisher keine pandemische Lage gab, die einen fruchtbaren Boden für ihre Glaubenssätze bildet.

Die Medien haben am 15. Januar 2022 in Hamburg auf ganzen Linie versagt. Die Berichte über das Geschehen bestanden in Kopien dessen, was die Polizei zu verlauten sich bemüßigt fühlte. Für das, was sich rund um die Kunsthalle zutrug, gab es unabhängige Zeugen; da war nicht viel zu vertuschen. Was sich an der Mundsburg und in Wandsbek zutrug, wurde lediglich durch die Kanäle der „Querdenker“ verbreitet. Kein Reporter war vor Ort. Dass die Polizei mindestens zwei Wasserwerfer in Stellung brachte, war nirgendwo zu lesen, und ich weiß ich es nur, weil sie gesehen habe.

So ging das jahrelang auch bei Aufmärschen und Kundgebungen von Neonazis zu. Die „bürgerlichen“ Medien ignorierten diese ganz oder plapperten bloß nach, was die Polizei ihnen soufflierte. Dass Journalisten angegriffen wurden und dabei nicht nur nicht auf Unterstützung der Sicherheitsbehörden rechnen konnten, sondern von diesen selbst behindert wurden, ist keine Neuigkeit oder Besonderheit von Veranstaltungen von Schwurblern. Es wurde jedoch jahrzehntelang von den Medien, die lieber über Links- statt über Rechtsextremismus berichteten, totgeschwiegen. Und Neonazis waren nie nur Jugendliche mit Glatze und Springerstiefeln, sondern immer auch die ehrbaren Nachbarn „aus dem bürgerlichen Spektrum“. Über die aber verloren dieselben Medien, die die „Querdenker“ zwei Jahre lang gehätschelt haben, nie ein Wort.

„Die Wirklichkeit ist eine Konstruktion“, schrieb Siegfried Kracauer 1930. Insofern unterscheiden die Erzählungen der „Querdenker“ sich nicht prinzipiell von denen anderer. Die Medien, die über die „Spaziergänge“ berichten, lassen aus oder fügen hinzu, was ihnen genehm ist. Oder vielmehr eben: was die Polizei oder twitter ihnen serviert, weil sie eigenständige Berichterstattung längst abgeschafft haben. Wenn sie den Chef des schleswig-holsteinischen Verfassungsschutz damit zitieren, „mehrheitlich kämen die Teilnehmer der Demonstrationen aus dem bürgerlichen Spektrum“, stricken sie an einer Erzählung, die keine von ihren Wünschen unabhängige Realität betrifft.

Als eine Impfpflicht ein Mittel zur Bekämpfung der Pandemie hätte sein können, wurde sie von der Politierkaste kategorisch ausgeschlossen. Dann dachte man darüber dennoch nach und dachte und dachte … Bis sie beschlossen sein wird, könnte die Seuche ausgestanden sein. Die Impfpflicht wird zu den Instrumenten zählen, die nichts taugen. Wie die Luca-App, die zwar teuer bezahlt, aber zur Kontaktverfolgung kaum oder gar nicht genutzt wurde. Wie der Impfnachweis in Bus und Bahn, der nicht kontrolliert wird. Wie die FFP2-Maskenpflicht für Fahrgäste, während die Kontrolleure in Hamburg lediglich OP-Masken tragen müssen.

Hätte ich keine Beziehungen in ein gehobeneres Milieu wäre ich als Hartz-IV-Bezieher möglicherweise bis heute nicht geimpft. Dann drohte mir ein Bußgeld, das ich nicht bezahlen könnte, sobald die Impfpflicht eingeführt werden würde. Und ich müsste gegebenenfalls ins Gefängnis. Die Armen gehen in den Knast, weil die Politikerkaste sie nicht im Blick und bei der Seuchenbekämpfung versagt hat.

Während der Pandemie sind die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer geworden. Das ist der Lauf der Welt. Und es ist vollkommen egal, ob das Staatswesen sich demokratisch nennt oder nicht. Für soziale Ungerechtigkeit ist keine Diktatur vonnöten.

Corona – was war das nochmal? Kein Politiker würde sich noch trauen, einen „Freedom Day“ zu fordern. Es ist Anfang März, und in Europa herrscht Krieg. Das „Freedom-Day“-Gefasel, das der Corona-Diktatur-Hetze nachplapperte, hat sich als unverantwortliche Geschwätz entlarvt, das es von Anfang an war.

Corona ist stillschweigend beerdigt worden. Die Pandemie ist zwar noch nicht vorbei, aber es wird nicht mehr darüber geredet. Die meisten Einschränkungen haben sich erledigt. Allein die Maskenpflicht gilt noch da und dort.

Bis auf Weiteres bestimmt der Krieg des russischen Zaren gegen die Ukraine die Tagesordnung. Dass die Schwurbler ihn bejubeln zeigt nebenbei an, wie verrottet weite Teile der Gesellschaft sind.

7. April 2022: Der Bundestag hat sich den Querdenkern gebeugt und eine Impfpflicht abgelehnt. Ohnehin war man bereits auf die Position verfallen, die die FDP seit Beginn der Pandemie vertritt, dass nämlich nur die Alten für sich selbst zu sorgen hätten, während alle anderen so tun dürften, als ginge sie die Seuche nichts an. Nun wird also die Politik gemacht, die die AfD favorisiert. Die Demokratie gräbt sich ihr eigenes Grab, indem sie sich ganz der korrupten politischen Klasse überlässt, deren einziges Interesse darin besteht, wie gut sie bei den Talkshow-Redaktionen ankommt, jener korrupten journalistischen Klasse, die der AfD in den Bundestag verholfen hat.

Letzte Woche im April 2022: Hamburg ist das letzte Bundesland, in dem Corona noch ernst genommen wurde. Damit soll es nun vorbei sein. Ob die Seuche wirklich ausgestanden ist, weiß ich als gemeiner Bürger nicht. In den Medien dominieren Panzer. Die Infektionszahlen sind hoch und steigen, aber sie werden zukünftig nur noch wöchentlich mitgeteilt. War Covid-19 also doch nur eine Art von Grippe und das Aufhebens umsonst? Egal, wir sind jetzt im Krieg, da haben alle anderen Probleme zurückzustehen. So wie es vor zwei Jahren mit Corona begann: plötzlich gab es nur noch ein Thema. Ich bin nicht erkrankt und nicht im Krieg. Welche Probleme ich auch immer haben könnte, sie spielen in der öffentlichen Debatte keine Rolle, weil diese nun einmal Mainstream ist. Da läuft sie, die Herde, und entweder läuft man mit oder nicht. Und wer nicht mitlaufen will, wird überrannt.