Gewerbeschau bei der »Klimawoche« in Stade

Mit den Kategorien Links und Rechts habe ich nie viel anfangen können. In ihren klarsten Ausprägungen berühren sich die Extreme. Hitlerismus wie Stalinismus münden in Massenmord. (Empfehlenswert: Bloodlands von Timothy Synder)

Ich entsinne mich, dass ehedem mit dem Begriffspaar konservativ-progressiv gearbeitet wurde, um die gegenläufigen Tendenzen zu beschreiben. Das war, als die Linke mit Terror in Verbindung gebracht wurde und der Nationalsozialismus weit und breit nicht erkannt wurde.

Inzwischen ist die Lagerbildung bestimmend für die politische Auseinandersetzung. Entweder links oder rechts, gut oder böse, schwarz oder weiß. Die Mehrheit tangiert das nicht. Sie nimmt entweder an keiner Debatte Teil oder hat kein Bedürfnis, sich einer Seite zuzuschlagen.

Derart abgeschnitten von handgreiflicher Wirklichkeit heizen sich die virtuellen Debatten immer weiter auf. (→ Digitale Lager) Der Ton ist links mitunter milder, aber hier wie dort werden Vernichtungsfantasien in Wort und Bild ausgelebt.

Im blindwütigen Angriffsmodus erscheint der Feind mächtiger und gefährlicher als er ist. Beim Stöbern auf der facebook-Site des Kreisverbandes Stade der Alternative für Deutschland finde ich ein Beispiel dafür. In der → Jungen Freiheit wird der aktuelle Umgang mit der Klimakrise als Projekt »linksgrüner Meinungsmacher« beschrieben, die damit die Gesellschaft im Würgegriff hätten.

In der Kritik am öffentlichen Umgang mit dem Thema treffe ich mich an manchen Stellen mit dem JF-Autor. Das macht mich nicht zum Rechten; und indem ich die Bedeutung des Themas nicht leugne, bin ich noch lange nicht links.

Am 26. September 2019 stolperte ich beim Gang durch die Innere Stadt von Stade zufällig über eine Veranstaltung im Rahmen der »Klimawoche« (→ Bitte nicht den Bus!), von der die JF Lügen gestraft wurde. Es handelte sich um eine Werbeveranstaltung für E-Autos und E-Bikes, angereichert mit Werbung für das kommunale Busunternehmen. Vielfach wurden auf demselben Platz am Sande Autos ausgestellt, neue und alte, und er diente als Parkplatz. (→ Der leere Kasernenhofplatz)

Richtige Autos werden auf diesem Platz von Menschen umwimmelt. Bei der »Climate Action Week« versammelte man sich unter einem Zeltdach und beachtete die Fahrzeuge nur höflich. Mal 30, dann 50 Leute, angeführt vom Landrat, lauter honorige Bürger. Linke erkennt man nicht an der Nasenspitze; vielleicht waren welche darunter. Jedenfalls keiner, den ich vom Ansehen gekannt hätte, der sich als links bezeichnen würde.

Im Vorbeigehen hörte ich Sätze dieser und jener Rede. Es ging um Wirtschaft, um Gewinn, und einmal fiel das Wort von der »grünen Ecke«, das signalisierte, dass der Redner sich ganz gewiss nicht in diese stellen lassen würde.

Den Verblendungszusammenhang, den die Junge Freiheit teilweise zutreffend beschreibt, hat keine Koalition aus Linken und Grünen hergestellt. Der Zeitung zufolge regieren nicht CDU/CSU und SPD in Berlin, und Verlagshäuser interessieren sich nicht in erster Linie für Profit statt Politik.

Bleiben als »linksgrüner Meinungsmacher« die öffentlich-rechtlichen Sender, die von der AfD besonders gehasst werden. Eine Verblendung mehr. Eben entdecke ich in der ZDF-Mediathek eine Dokumentation über die »unterschätzte Gefahr« des Linksextremismus, die wie ein AfD-Propagandavideo tönt.

Es ist in gewissen bürgerlichen Kreisen inzwischen Mode, sich als Antifa auszugeben. Die tatsächlichen Aktivisten sind anno 2019 in dem Bezirk, den ich überschaue, rarer gesät als noch vor zehn oder 20 Jahren. In der ZDF-Dokumentation wie in der JF und von der AfD wird eine Antifa beschworen, die bestenfalls als Maulheldentum besteht, aber vor meiner Haustür nicht nennenswert in Erscheinung getreten ist und schon gar nicht gewalttätig. (→ Die Antifa-Verschwörung)

Bei der Werbeveranstaltung der Klimakrisengewinnler war keine Antifa. Und falls sie da gewesen wäre, hätte sie gewiss nicht stumm oder gar beifällig den Worten des Landrats gelauscht. Sie hätte diesen Zirkus gestört, bei dem die selben Herrschaften, die den Karren mit Karacho in den Dreck gefahren haben, nun im Namen der Heiligen Jungfrau die Klimakatastrophe beschwören.

Der Jungen Freiheit geht es ebenso wie der AfD so wenig um das Klima wie den Herren und vereinzelten Damen auf dem Sande. Für die einen ist die Debatte nur ein Baustein zur Festigung ihres Feindbildes, und die anderen lavieren sich wie gehabt durch. Der Landrat gibt sich als parteilos, trat aber als Kandidat der CDU an.

Er nicht und keiner sonst von der politischen Klasse hat je auch nur ein Wort gegen die AfD gesagt, von den Parteilinken abgesehen, obwohl sie nun im dritten Jahr mit ihnen im Kreishaus sitzen, das der Landrat bei seiner Rede auf dem Platz im Rücken hat.

Das könnte vornehme Zurückhaltung sein, ist aber wahrscheinlich nur Haltungslosigkeit. Der Feind der AfD mag links stehen. Bei der Gewerbeschau auf dem Sande ist er nicht. »Fridays for Future« wird in Stade nur benutzt, um neue Label für die Warenproduktion zu erstellen. Für den Nischenmarkt E-Auto. Alter Wein in neuen Schläuchen.

In einer Ecke des Platzes sind genau zwei Parkplätze mit einer Ladestelle für E-Autos versehen. Ein Ärgernis für andere, weil sie meist leer stehen. Ohne die Rede des Landrats komplett gehört zu haben, kann ich davon ausgehen, dass er in dieser Hinsicht nichts Nennenswertes gesagt hat, wie etwa eine drastische Verbesserung der Ladestellen-Infrastruktur immerhin anzukündigen. Der Bericht des Lokalanzeigers hätte sonst damit aufmachen müssen statt nur festzustellen, dass die Veranstaltung der Anzeigenkunden stattgefunden hat.

E-Auto-Ladestelle Am Sande Stade (Foto: urian)
Die Ladestelle für E-Autos am Tag nach der Gewerbeschau. Die übrigen Parkplätze sind besetzt und mancher Benziner kurvt auf der Suche nach einem freien Platz herum und schädigt dabei das Klima, während die »Verkehrswende« als Leerstelle ausgestellt wird.

Ein paar Begüterte werden sich als Spielzeug ein E-Auto anschaffen. Mancherorts werden wie jetzt schon E-Autos zum Verleihen angeboten. Oder auch nicht. Nur bei der Jungen Freiheit will man partout daran glauben, dass die Akteure von gestern plötzlich und ernsthaft anderen Sinnes geworden sind.

Angela Merkel war nie eine »Klimakanzlerin«. Für die eine Million E-Autos, die sie versprochen hatte, haben ihre Regierungen nicht mehr getan, als der Autoindustrie Gelder für den Ausbau der Marktnische zu spendieren. Ihr Feindbild von Merkel als Flüchtlingshelferin hat die AfD-Klientel blind dafür gemacht, wie wenig links oder grün die reale Politik je war.

Zur Erinnerung: als SPD und Grüne vor 20 Jahren in Berlin regierten, schafften sie nicht einmal den Ausstieg aus der Atomenergie. Wenn die AfD sich für Atomkraft ausspricht, schweigt das von dieser halluzinierte rotgrüne Machtkartell, weil erst Merkels CDU 2011 den Ausstieg vorantrieb.

Was die AfD der etablierten Politik vorwirft, prallt an dieser ab. Ohnedies haben CDU und SPD selbst das Feindbild der Linken und Grünen lange gepflegt. Die »Klimawoche« besiegelt die Eintracht, zu der man inzwischen gefunden hat. Kein Programmpunkt ist politisch. Kein anderer als ein ominöser Bewusstseinswandel ist angepeilt, der allenfalls die Privatsphäre betreffen soll. Um den Klimawandel muss man nicht mehr streiten, außer mit der AfD.

Insoweit verstehe ich die Täuschung, der die Junge Freiheit unterliegt. In Stade sind alle ohne weitere Umstände konvertiert zur neuen Klimareligion. Als hätten sie nie etwas anderes für wahr gehalten und sich danach verhalten. Aus Klimaverschmutzern sind wie durch Zauberhand Klimaschützer geworden. Heuchler, die sich den Kids von »Fridays for Future« anbiedern, um sie zu missbrauchen.

Den Klimawandel schlicht zu leugnen wie die AfD erscheint als eine Verzweiflungstat. In die Phalanx der Gläubigen ist kein argumentativer Einbruch möglich, also wird gegen das komplette Konstrukt angerannt.

Von der AfD war mutmaßlich so wenig wie von den Linksgrünen jemand auf dem Sande. Die einen wie die anderen beziehen ihre einzige Information aus dem Verlautbarungsorgan der Herrschaften, die bei dem Event zusammen kamen: im Stader Tageblatt blühen Rosen. Aus einer Täuschung können nur weitere Irrtümer erwachsen.

Ein Besuch auf dem Sande an diesem Donnerstag hätte den Klimawandelleugnern bewiesen, dass sie mit denen, die ihren Glauben an den Klimawandel nur vortäuschen, prächtig auskommen könnten.

Autobahnkarte screenshot Wochenblatt

In der Kreiszeitung ist derweil von der auf dem Sande verkleisterten Realität der Verkehrspolitik zu lesen, von dem Teil der Autobahn 26 zwischen Drochtersen und Stade, der 2029 fertig sein soll. Eine Karte zeigt an, wo mit Entlastungen der vorhandenen Straßen zu rechnen sein könnte und wo der Verkehr zunimmt. Mit einem insgesamten Anstieg des automobilen Individualverkehrs wird selbstverständlich weiterhin gerechnet, gleichgültig welchen Antrieb die Vehikel haben.

»Verkehrswende« heißt an der Unterelbe keinesfalls weniger Autos, sondern höchstenfalls andere. Gegen die eingefahrene Politik zu protestieren ist ein Antreten gegen Windmühlenflügel. An diesem Punkt trat »Fridays for Future« vom ersten Tag an auf der Stelle und hat in Stade auch in der Tat gar keinen Wandel der Anschauung gefordert. (→ Der Müll, die Stadt und der Tod)

Siehe auch

Kein Wort mehr vom Klima
Wiki was Stade?
Windkraft und Kohle