Warum ich den Klimakitsch nicht mehr hören kann

Der Klimawandel geht mich nichts an. Ich habe kein schlechtes Gewissen zu beruhigen.

Armut ist der beste Klimaschutz. Ich fahre kein Auto, ich fliege nicht, mein Fleischkonsum ist nicht beachtenswert. Ich verbrauche von der Welt nur das Allernötigste.

Weniger als ein Flüchtling, der von seiner begüterten ehrenamtlichen Betreuerin mit einem Fahrrad versehen wurde, das neu ist, womit seine Energiebilanz höher ausfällt als meine. Ich habe stets nur gebrauchte Räder gefahren. (Auf den Flüchtling kam dieser Tage jemand, der mich fragte, warum ich kein Rad besäße; ich verweise nicht auf Tiefergestellte als Sündenböcke.)

Als ich in Diskussionen vor 40 Jahren von den Belastungen der Erde durch Überbevölkerung und Klimaschäden sprach, galt ich als Spinner. Soweit es Angehörige meiner Generation anbelangt, die sich heute als Klimaschützer gerieren, kann ich sie unmöglich ernst nehmen.

Jetzt, nachdem sie in Rente sind und nach Jahrzehnten des Verbrauchens auch mal zum Nachdenken kommen, wedeln sie mir mit ihren erhobenen Zeigefingern vor der Nase herum. Und kaufen sich ein neues Rad nach dem anderen, je nach Mode, um damit zu posieren und »für das Klima« in die Pedale zu treten. Aber nicht bei Regen, da fahren sie wie gewohnt Auto, stehen abgasend im Stau oder kurven auf der Suche nach einem Parkplatz drei Mal durch dieselbe Straße.

Diese alten weißen Männer und Frauen schützen das Image einer 16-Jährigen aus Schweden, deren Madonnenbildchen alle Tage gepostet und geteilt werden, aber um das Klima soll sich gefälligst die Politik kümmern. Die tut tunlichst so wenig wie möglich, und was sie zu tun beabsichtigt wie die CO2-Steuer wird die unteren Gesellschaftsschichten unverhältnismäßig mehr belasten als die Großverbraucher.

Wie ehedem, als die Tabaksteuer erhöht wurde, um den »Kampf gegen den Terror« zu finanzieren. Der Terror ging mich nichts an, er bestand die längste Zeit ebenso in der Einbildung wie derzeit die Klimakatastrophe, aber ich sollte die Zeche zahlen, damit die Hüter zumeist zwischen 1933 und 1945 zusammengeraffter und vererbter Vermögen, die »Leistungsträger«, möglichst wenig belastet werden.

Wenn hier und da jemand mit dem Messer zusticht, herrscht tagelang Aufregung in den Medien. Und man kann dergleichen gar nicht oft genug und immer wieder hören. Dass große Teile der Leistungsträgerschaft strafbare Steuerhinterziehung begehen (neben den vielen anderen legalen Möglichkeiten, den Staat als Beute zu behandeln) ist nur gelegentlich Thema und keinesfalls ehrenrührig wie das Beispiel eines Fußballvereinsvorstands zeigt, der zufälligerweise sogar ins Gefängnis gehen musste, wenngleich nicht für die verhängte Zeit – soviel Privileg muss sein.

Geht mich alles nichts an. Das sollen die Besitzbürger und Leistungsträger unter sich ausmachen. Sie haben die Welt so eingerichtet wie sie ist. Ich habe mich nach Kräften nicht daran beteiligt und bin dafür lebenslang als Freak behandelt worden. Mir sind zahlreiche der Annehmlichkeiten entgangen, die die Welt so zugerichtet haben wie sie ist. Wenn nun dafür gebüßt werden muss, können die Sünder mich mit ihrem Wehgeschrei verschonen.

Ihr Leben geht weiter wie gehabt. Außer dass jede Wetterkapriole zum Anlass für Klimawandel-Geschwätz taugt, hat sich nichts geändert. Und abgesehen von Lifestyle-Modifikationen in eine »grüne« Richtung wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern. Wenn die gängige Annahme stimmt, dass der menschliche Einfluss auf das Klima seit rund 200 Jahren verderblich wurde, dann ist dessen Ursprung die kapitalistische Wirtschaftsweise, die auf Wachstum und Steigerung des Verbrauchs angelegt ist.

Unter dem Aspekt der Überbevölkerung hätten die Kinder, die heute für das Klima auf die Straße gehen, gar nicht geboren werden sollen. Und solange sie Kinder des Kapitalismus bleiben, wird ihr Protest nur Schaumschlägerei gewesen sein und sie selbst es nicht erleben, dass sich die Grundlagen ändern, die verändert werden müssten, damit das Klima gerettet wird.

Ende der Debatte. Das Geschwätz wird unverdrossen weiter gehen und zwangsläufig Irrwege einschlagen wie gerade jetzt mit E-Scootern als pseudo-ökologische Verkehrsalternative. (→ Lifesyle und Tod) Der Klimawandel als Markenzeichen ist längst vom Kapitalismus gefressen worden.

Die Medien, die das gesellschaftliche Klima bestimmen, sind durch die Konkurrenz der Sozialen Medien zur Konformität mit dem Zeitgeist gezwungen. Abweichungen vom Mainstream sind nahezu ausgeschlossen. Die Überbevölkerung als eine Ursache der Weltprobleme, die vor 40 Jahren für Katastrophenszenarien genügte, während die Zerstörung der Atmosphäre nur ein Spezialistenthema war, wird als Argument nurmehr von der AfD angebracht. Insofern diese Partei den Klimawandel leugnet, wird, wer Geburtenkontrolle als Mittel in die Debatte einwirft, von den Rechtgläubigen flugs ausgegrenzt.

Themen kommen und vergehen wie die Moden im Kapitalismus. Was heute angesagt ist, um Waren abzusetzen, ist morgen überholt, und die Waren werden Schrott. Wirtschaftlich gesehen ist die Produktion von E-Scootern, E-Bikes und diversen Fahrradmarken ein Coup. Dass ihre Benutzung irgendeinen Fortschritt darstellen würde, ist bloß Imagewerbung. Ihre Öko-Bilanz ist auf jeden Fall negativ.

Das ist so klar wie eine Watschen. Aber niemand in den Medien, der immer mehr verdienen möchte, um immer mehr verbrauchen zu können, wird das benennen. Und die Leserschaft, der es ebenso geht, will es nicht hören.

Das Wehgeschrei, das die Sünder gegenwärtig absondern, ist noch gar kein wirkliches. Es ist eine Pose derer, die es sich leisten können, sich selbst als bessere Menschen auszustellen. Noch tut ihnen gar nichts weh. Würden sie Ernst machen mit der Abwehr der Klimakastrophe müsste es das jedoch.

Es wäre mit Einschränkungen verbunden, mit Veränderungen des Lebenswandels, die über das hinausgehen, was unlängst ein Funktionär der Grünen auf facebook bekannt gab: er verzichte auf das zweite Auto und werde stattdessen Car-Sharing in Anspruch nehmen.

Ich soll das offenbar als ökologisch-politische Entscheidung auffassen. Ich weiß, er ist inzwischen Rentner und »braucht« das zweite Auto nicht mehr. Mich geht das gar nichts an. Hätte ich diese Botschaft teilen sollen und die Frage daran hängen, was Bezieher eines Mindestlohns davon halten sollen, die sich kein zweites Auto und mit Mühe die Spritkosten für die Fahrt zum Arbeitsplatz leisten können?

Soll ich an die mindestens 40 Jahre erinnern, die ich mit Bewusstsein überblicke, in denen bei der Verkehrsinfrastruktur zuerst der automobile Individualverkehr und dann lange nichts kam? Als ich in dem Ort, in dem der Rentner lebt, aufwuchs, gab es wenig Autos, aber eine Bahnverbindung. Ich fuhr zunächst mit dem Zug in die Stadt zur höheren Schule. Dann wurde die Bahn eingestellt, und ich fuhr mit dem Bus. Der auf den zu bestimmten Zeiten verstopften Strecken zunehmend unpünktlicher wurde. Schließlich wurde, als Ausweg aus der automobilen Sackgasse, sehr viel später die Bahn wieder in Betrieb genommen.

Beide Autos abzuschaffen geht natürlich nicht. Denn die Lebensweisen haben sich so entwickelt, dass Autofahrten auf dem Land unvermeidlich sind. Die Dörfer sind so abgelegen wie einst, die Gehwege leer und sauber gefegt. Aber eine Autofahrt, die nie schnell genug gehen kann, verbindet die Inseln miteinander.

Und nur eine Autofahrt. Eine Radtour hätte auch früher schon genügt, aber die Infrastruktur dafür wird jetzt erst überhaupt in den Blick genommen. Vorerst für die älteren Herrschaften, die inzwischen die Zeit haben, die sie sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht nehmen wollten, um einen Weg zurückzulegen. »Der Weg ist das Ziel«, zitierten sie und kamen sich sehr verständig vor. Dann setzten sich hinter das Steuer.

Glaubt irgendjemand ernsthaft an eine bemerkenswerte Abnahme des Autoverkehrs, wenn auf dem Lande mehr Radwege angelegt werden? Vielleicht, wenn zugleich alle Autobahnplanungen gestoppt würden.

Oder wenn der Busverkehr endlich Aufmerksamkeit erhielte. Unter dem Titel »Verkehr für Minderheiten« beschrieb ich 2001 meine Erfahrungen mit dem Landbus. Es ist die einzige Reportage, die jemals zu dem Thema in der Region erschien.

Land-Journalisten sind Autofahrer. Inzwischen hat der Lokalanzeiger zwar die Bahn als Thema entdeckt, vermeldet aber vor allem Pannen und zeigt in jeder Zeile an, dass die Redakteure über keine eigenen Erfahrungen verfügen. Busverkehr findet nur in Form von Pressemeldungen des Unternehmens statt oder im Zusammenhang mit Unfällen.

Der Verkehr im weitesten Sinne ist der Aspekt der Klimakrise, der am deutlichsten zeigt, wo es weh tun muss, wenn etwas geändert werden soll. Geht mich nichts an, ist aber ein Beispiel dafür, weshalb ich das Geschwätz gutbetuchter Bürger nicht mehr hören will. Insofern die Medien von diesen und für sie produziert werden und die Sozialen Medien weitenteils auf deren Vorlagen angewiesen sind, ist fast alles, was zu vernehmen ist, keinen weiteren Gedanken wert.

Siehe auch:

Windkraft und Kohle
Wiki was Stade?
Autos, Ökos, Arme und andere
Herrenradler
Auto-Darsteller
Kein Pardon für Passanten
Bitte nicht den Bus!