Seit zwei Jahren ungeklärt: der Überfall auf das Ehepaar Burmeister in Stade-Bützfleth
Am 9. September 2016 wurden ein 79-jähriger Fruchtgroßhändler und seine Frau in ihrem Haus in Stade-Bützfleth von zwei Männern überfallen und beraubt. Ernst Burmeister erlag den dabei erlittenen Verletzungen.
Ende Oktober hieß es, der Fall sei aufgeklärt. Medien prangerten meinen Bekannten Mahmoud W. als »Haupttäter« und »Mörder« an; Blogger wie ehrbare Journalisten ergriffen die Gelegenheit zur Hetze gegen »Ausländer«. Die Beteiligung des 26-jährigen Deutsch-Libanesen an dem »Raub mit Todesfolge« liegt nach wie vor im strafrechtlichen Dunkeln.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt außerdem gegen den Enkel der Opfer wegen Beihilfe zum Raub sowie gegen einen einschlägig Vorbestraften, dessen Taten ein Jahrzehnt zuvor Partei übergreifend politisch instrumentalisiert wurden.
Mahmoud W. hat sich dem Zugriff der deutschen Strafverfolgungsbehörden entzogen. Ihm nicht, aber den beiden anderen könnte der Prozess gemacht werden. Wenn denn der Fall so geklärt wäre, wie Polizei und eingebettete Presse vor zwei Jahren weismachten – und seither dröhnend schweigen.
Ich habe den Kriminalfall und seine medialen Überformungen seit März 2017 in →(1), →(2), →(3), →(4) Beiträgen dokumentiert.
Niemand tritt vor und erklärt, was schief gelaufen und weshalb bis heute keine Anklage erhoben worden ist. Dass die Polizei keine Panne zu gestehen bereit ist, die jedes Schulkind erkennt, habe ich etliche Male im Gerichtssaal erlebt und kann alle Welt bei der Nachbereitung des G-20-Gipfel in Hamburg studieren.
Als wäre die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrund nicht durch das Versagen der Sicherheitsbehörden verlängert worden, als hätten diese nicht im Vorfeld des Attentats auf dem Berliner Breidscheidplatz Böcke geschossen, gilt die Polizei dennoch als sakrosankt und geriert sich selbst gern als unantastbar. Polizisten sind keine Menschen; sie machen nie Fehler. Von der Seite ist keine Einsicht zu erwarten.
Geschweige auch, dass die Lautsprecher von den Medien nachfragen, weshalb sie im Oktober 2016 mit einem »gelösten Fall« hinters Licht geführt geworden sind. Sind sie ja auch nicht; sie sind – wie beim NSU mit »Döner-Morden« – freiwillig mitgegangen und haben sich nach Kräften bemüht, statt aufzuklären die Finsternis zu vertiefen.
Für eine freie und unabhängige Presse wurden einstmals Leute einen Kopf kürzer gemacht – jetzt ist sie zwar grundgesetzlich verbrieft, aber den meisten Vertretern der Zunft sind Freiheit oder Wahrheit piepegal; die haben ihren Kopf schon verloren.
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In einer Pressemitteilung vom 14. August 2018 kritisieren Sozialistische Jugend – Die Falken Niederelbe die Polizei- und Presseberichte zu einem Überfall auf eine Flüchtlingsunterkunft in Bliedersdorf am 8. August (»Zur Relativierung und Umdeutung eines fremdenfeindlichen Angriffs«). Die Falken haben getan, was die so genannten Journalisten vor Ort nie tun, so selbstverständlich es ihren Lesern scheint, dass sie es täten: sich selbst kundig gemacht statt dem Polizeipressesprecher nachzuplappern.
Auf diese Kumpanei habe ich → hier und anderswo hingewiesen, und sie ist auch im Fall Burmeister einzurechnen – bisher wie bei allem, was noch kommt.
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Offenbar weil der Redaktion nichts anderes eingefallen ist, trägt das Wochenblatt in Gestalt eines anderweitig vorgestellten Autors (→ Klatschpresse bei der Arbeit) am 20. Oktober 2018 vor, was Polizei und Justiz zur Vernebelung des Falls Burmeister beitragen. Dass die Presse in puncto Kriminalität nur ein Appendix der behördlichen Pressestellen ist, lässt sich hier wieder einmal studieren.
»›Es gibt leider nichts Neues‹, erklären Polizei und Staatsanwaltschaft übereinstimmend. ›Die Ermittlungen dauern an‹, sagt Oberstaatsanwalt Kai Thomas Breas, Sprecher der Staatsanwaltschaft Stade. Die Akte sei noch nicht geschlossen, ergänzt Rainer Bohmbach, Sprecher der Polizeiinspektion Stade.«
Im Artikel geht es dann ausschließlich um den Aufenthaltsort des vermeintlichen »Haupttäters«. »Die große Schwierigkeit für Polizei und Staatsanwaltschaft: Mit dem Libanon gibt es kein Auslieferungsabkommen. Es sei daher sinnlos, dass sich Zielfahnder des BKA oder LKA auf die Suche nach dem Flüchtigen machen. Selbst wenn sie W. im Libanon aufspüren sollten, wäre der mutmaßliche Täter dort vor Auslieferung sicher.«
Sind das alle »andauernden Ermittlungen«? Was ist mit den mehreren bekannten Mittätern, die sich nicht dem Zugriff von Polizei und Justiz entzogen zu haben scheinen? Einer jedenfalls gewiss nicht; den habe ich kürzlich in Stade gesehen. Im Wochenblatt-Artikel kommen sie nicht weiter vor, um den Behörden keine unliebsamen Fragen stellen zu müssen.
»Wir ermitteln gegen ihn [W.] wegen Mordes«, sagt Polizeisprecher Rainer Bohmbach.« Interessant. Der letzte offizielle Stand war »Raub mit Todesfolge«. Wie erklären Sie das, Herr Reporter? Gar nicht? Weil der Pressesprecher Sie nicht darauf hingewiesen hat? Dachte ich mir.
Teilt die Staatsanwaltschaft übrigens diese Einschätzung? Verrät der Reporter nicht. »Reporter« ist eigentlich nicht richtig; »Pressedarsteller« passt besser.
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Siehe auch
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