Vera Lengsfeld und die »Antifa-Verschwörung«

»Eine Zersetzungsmaßnahme der Stasi war, den Ruf der Zielperson zu zerstören. Wenn man sie sicher ausschalten wollte, streuten die Genossen das Gerücht, sie arbeite für die Stasi. Das war die zuverlässigste Methode, einen Menschen oder eine Gruppe zu diskreditieren. Was ist heute anders? Demokratie ade!«

So der Kreisverband Stade der Alternative für Deutschland am 21. Januar 2019 auf facebook Himmel, was ist geschehen, habe ich eine Revolution verpasst? Oder zieht nur wieder jemand Vergleiche, der eins von beiden nicht kennt, BRD oder DDR, und sich vormacht, vor 30 Jahren sei die Zeit stehen geblieben?

Im KV Stade gibt es wohl auch Funktionäre und Mitglieder mit DDR-Sozialisation, aber die Eingeborenen haben von »Stasi« schon 1993 nichts hören wollen, als es noch frisch war (der früheste Zeitpunkt, für den ich mich verbürgen kann). Das kennt man nur aus dem Fernsehen, und wer Erfahrungen mit der Staatssicherheit hatte, tut besser daran, davon zu schweigen, weil die anderen das nur in den falschen Hals kriegen.

Und wer oder was sollte in diesem Fall »zersetzt« werden? Lohnt nicht, darüber an dieser Stelle zu rätseln: die Allesbesserwisser von der Verschwörerfraktion haben bloß die Anführungszeichen vergessen.

Das Stasi-Bild ist ein Zitat aus einem verlinkten Text. Nur die letzten beiden Sätze sind Originalton KV Stade: »Was ist heute anders? Demokratie ade!«

Das Zitat ist von einer, die weiß, wovon sie redet. Bei den Schlusssätzen ist das fraglich.

Vera Lengsfeld ist eine Ikone der AfD. → An anderer Stelle war ich schon auf die Verlogenheit ihrer Behauptung »Chemnitz ist das neue Sebnitz« eingegangen, die von der AfD auf Parole gemünzt worden war. Aber, bitte, das ist Demokratie, darüber kann, nein, soll man streiten.

Nun hat Lengsfeld eine Unterlassungserklärung unterschrieben, weil sie etwas fälschlich als Tatsache behauptet hat. Unjuristisch gesprochen hatte sie gelogen, dass das »Magazin von und für AntifaschistInnen« der rechte rand »von Steuergeld finanziert« werde. Auf die Idee kann nur jemand kommen, der es nicht vor dem Bundestagswahlkampf 2017 kannte, als das seit 1989 erscheinende Blatt die Internetadresse »afd-im-bundestag« registrierte und dort seine Berichte über die Partei anzeigte.

»Klein beigeben, liebe Antifa? Niemals!«, ruft Vera Lengsfeld im Titel des Textes, mit dem sie auf einen Artikel in der Frankfurter Rundschau antwortet. Und macht mit der Verschwörung weiter.

Aus dem Verkauf kann sich der rechte rand nicht finanzieren, dafür ist die Auflage zu mickrig. Das Magazin mit der Antifa zu identifizieren ist albern. Schon deshalb, weil doch im AfD-Verständnis alle unter einer Decke stecken, die nicht ihre Weltanschauung teilen. Bei dem Leserpotenzial müsste der rechte rand an jedem Kiosk erhältlich sein.

Ich bin mal von der NPD als »Antifa-Drahtzieher« bezeichnet worden, habe es aber, anders als andere, die in demselben Pamphlet angesprochen worden waren, nicht für nötig gehalten, gegen diese falsche Behauptung zu klagen. Und ich habe keine Ehre von der Art, die dadurch berührt werden könnte. (Braune Eminenz)

Vor allem handelte es sich um ein komplettes Missverständnis derer, die in den Medien, von der Politik wie von den Politologen als »Antifa« bezeichnet werden. Da zieht keiner die Drähte.

Hat schon mal jemand einen Antifa-Vorstand gesehen? Schon bemerkt, dass es keinen Pressesprecher gibt? Ist ja auch besser so, und dass sie immer vermummt auftreten, macht es umso leichter, jeden Unliebsamen in den Sack zu stecken und drauf zu knüppeln.

Vera Lengsfeld fühlt sich verfolgt von etwas, das sie vor allem aus dem Fernsehen kennt, so wie ihre Leser und die Teiler vom KV Stade. »Antifa« sind für sie alle, die Beiträge von ihr auf twitter melden; erfolglos, wie sie sagt.

»Das heißt nichts anderes, als dass wir unter ständiger Beobachtung von Netz-Denunzianten stehen, die nach dem Motto handeln: Lieber eine Anzeige zu viel, als eine zu wenig. Kenner wissen, wer diese Parole herausgegeben hat. Ist ihr Stasi-Führungsoffizier heute stolz darauf, wie weit es seine IM (Inoffizielle Mitarbeiterin) gebracht hat?«

Anzeige meint sie im weitesten Sinn, nehme ich zu ihren Gunsten an; eine Meldung in einem Sozialen Netzwerk ist keine Strafanzeige, und die will sie doch nicht bekommen haben? Nicht dass hier jemand etwas missversteht.

Vera Lengsfeld darf nicht mehr behaupten, der rechte rand werde vom Staat bezahlt, aber sie darf insinuieren, dass alle, denen eine ihrer Formulierungen aufstößt, einen Führungsoffizier haben, auf dessen Vergünstigungen sie hoffen.

Es gibt also eine aus geheimen Quellen alimentierte Antifa. Statt eines Lamento wäre von Lengsfeld oder dem KV Stade doch wohl ein wenig Enthüllung gefragt gewesen: Fakten. Lengsfeld weiß es nicht besser, das ist amtlich. Und beim KV Stade begnügt man sich ohnedies mit dem Minimum: Geraune. Weil, das muss man nämlich, heimlich flüstern, damit keiner, die Stasi, also ich, es mithören kann.

Sinnlos, an dieser Stelle meine Meinungsfreiheit zu versichern, und dass niemand mich beauftragt oder bezahlt. Lengsfeld und die AfD haben sich entschieden: Antifa ist wie Stasi und allgegenwärtig.

Das heißt, halt – wofür genau hat Lengsfeld sich politisch entschieden und wann? Von den Grünen zur CDU und nun bei der AfD: wer sich politisch so wenig festlegen kann, sollte es vielleicht mit etwas anderem versuchen. Oder in sich gehen.

Dass sie über die Finanzen des Magazins gelogen hat, ist für Lengsfeld ohnehin ein »Nebenkriegsschauplatz«. Eigentlich hätte »die Antifa« es auf eine andere Formulierung von ihr abgesehen.

In einem inzwischen gelöschten Blog-Beitrag hatte sie die Attacke auf den Chef der AfD in Bremen Frank Magnitz als Frucht von Parolen wie »Nazis raus« interpretiert: »Die Saat permanenter Hetze geht auf«. Einen entsprechenden »Hass-Aufruf« im rechten rand nannte sie das »Dokument eines offen deklamierten Vernichtungswillens«.

Nein, das ist Meinungsfreiheit. Dabei kann man sich hierhin oder dorthin nach gängiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ziemlich weit vergaloppieren, darf bloß nicht den Holocaust leugnen und keine Einbildungen als Tatsachen behaupten. Wie etwa, dass Vera Lengsfeld …

Wie kommt sie überhaupt ohne Quellen zu ihrer nun untersagten Behauptung? Die Antifa als Schreckgespenst und die »Antifa-Verschwörung« hat sie nicht erfunden, sondern die AfD treibt auf die Spitze, was ehrenwerte Politiker und Journalisten ihr seit Jahrzehnten vorgelegt haben.

Überhaupt schadet man sich mit einer Unterlassungserklärung nur selbst, ganz ohne fremdes Zutun oder gar »Denunziation«. Beim KV Stade kennt man sich damit auch nicht aus. Die Postings kommen fast ganz ohne eigenes Zutun und bar jeder Verantwortlichkeit aus.

Man äußert keine Meinung zu irgendetwas, sondern wirft höchstens Stichworte hin. (Die Zitate der AfD) Und falls jemand sich beschwert? Hat man halt die Anführungszeichen vergessen. War nicht so gemeint.

Wer zwischen Tatsachen und Einbildungen nicht unterscheidet, gilt gemeinhin als verrückt. »Demokratie ade«? Wer sie bei dieser Gelegenheit verabschiedet, hat sie nicht begriffen und trägt sie bereits zu Grabe.

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