Wovor die Stader Kreisvorsitzende zurückzuckt

Obwohl die Alternative für Deutschland für klare Worte berüchtigt ist und ihre medialen Protagonisten alle Tage damit zitiert werden, sind die Äußerungen des Bodenpersonals im Wahlkreis Stade-Cuxhaven spärlich und kryptisch.

»REWE ist für Vielfalt!?« betitelt die Vorsitzende des Kreisverbandes auf der Homepage der AfD ihren Beitrag zum 9. November 2018.

»Als ich heute auf den Parkplatz unseres REWE-Marktes in Steinkirchen einbog, fiel mir ein Großplakat ins Auge. Überschrift: Die Welt, wie wir sie sehen. Darunter eine Weltkarte aus bunten Smarties. Unterschrift: Wir sagen JA! zu Vielfalt und Toleranz. Wenn ich die Worte ›Vielfalt‹ und ›Toleranz‹ (es fehlt noch ›Offenheit‹ und ›Gleichheit‹) höre oder lese, zucke ich unwillkürlich zusammen. Aus den ursprünglich harmlosen, positiven Begriffen sind inzwischen politische Kampfbegriffe geworden (Toleranz kommt übrigens aus dem Lateinischen (tolerare=ertragen, erdulden)).«

Vielfalt, Toleranz, Offenheit und Gleichheit sind also Begriffe, vor denen es der Autorin schaudert. Sie hätte die Welt lieber einfarbig. Braun vermutlich.

Ihren Widerwillen erregt außerdem die Stellungnahme des Lebensmittelkonzerns auf seiner Website: »REWE bekennt sich zu Vielfalt und Toleranz und gegen Diskriminierung und wachsende Fremdenfeindlichkeit. Mit der bundesweiten Aktion ›ja! zu Vielfalt und Toleranz‹ setzt das Unternehmen in allen REWE Märkten ein klares Zeichen für Toleranz, Vielfalt und ein friedliches Miteinander. Jede Art und Form von Fremdenfeindlichkeit lehnen wir grundsätzlich ab.«

Die Autorin ergänzt mit eigenen Worten, was ihr ebenfalls nicht gefällt. »Und man habe sehr viele Mitarbeiter mit Migrationshintergrund, die unentbehrlich für das Unternehmen seien und sei stolz darauf.«

Der 9. November wurde in diesem Jahr erstmals publizistisch dreifach besetzt. Mauerfall und Reichspogromnacht standen auch sonst auf der Agenda; nun wurde auch der Revolution und Ausrufung der Republik eingehender gedacht. Auf welches dieser Ereignisse sich die Wortmeldung der AfD bezieht, steht außer Zweifel. Zwei stehen für Freiheit, eines für Unterdrückung und Verfolgung.

Wahrscheinlich glaubt die Autorin, sich durch ihre indirekte Schreibweise der Beobachtung durch den Verfassungsschutz entziehen zu können. Und Hetzrede kann man ihr gewiss nicht vorwerfen. Doch die Weichspülung ändert nichts am Sinn ihrer Aussage, und die Gleichgesinnten, die sie mit ihren andeutungsschwangeren Sätzen anspricht, verstehen sie genau.

Die Kreisvorsitzende der Neonazi-Partei lehnt »Toleranz, Vielfalt und ein friedliches Miteinander« ab, Fremdenfeindlichkeit dagegen nicht. Für sie sind nicht alle Menschen frei und gleich. Und von Menschen »mit Migrationshintergrund« möchte sie nicht im Supermarkt bedient werden.

Sage mir nachher keiner, er/sie habe es nicht gewusst, als er/sie der AfD die Stimme gab.

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