Von Vor- und Selbsttäuschungen am Fall des abgebrochenen Fernsehinterviews mit Björn Höcke

Björn Hocke bricht ein Interview ab, Herbert Grönemeyer schreit gegen Rechts … und wieder einmal findet in den Sozialen Medien die virtuelle Lagerbildung statt. Daumen hoch, Daumen runter, weiter zum nächsten Aufreger. (→ Digitale Lager)

Greta Thunberg wird mit dem Menschenrechtspreis von Amnesty International ausgezeichnet und widmet die Auszeichnung »all den furchtlosen Jugendlichen«. Ganz toll, Beifall …

Doch halt, was soll mit »furchtlos« gemeint sein? Demonstranten in Hongkong, die wissen, dass ihnen Polizeigewalt und Gefängnis drohen, wenn sie auf die Straße gehen: die sind furchtlos, wenn sie trotzdem los ziehen. Mit Furchtlosigkeit hat »Fridays for Future« nichts, aber auch überhaupt gar nichts zu tun.

Die Jugendlichen protestieren ohne Polizeibegleitung mit Zustimmung aus allen Generationen und der etablierten Politik. Und dass sie für das Schwänzen der Schule bestraft werden könnten, ist auch lange kein Thema mehr. Sie selbst beschwören hingegen die Angst, die sie vor der Zukunft haben, wenn diese so ausfällt wie absehbar: das ist das Gegenteil von Furchtlosigkeit.

Die Demonstranten in Hongkong haben Ziele und konkrete Vorstellungen davon, wogegen sie antreten. »Fridays for Future« hat bis dato nur Panik erzeugt und lässt die Phrasendreschmaschinen seit Monaten auf Hochtouren laufen. (→ Der Müll, die Stadt und der Tod)

Und hiermit bin ich raus aus der Volksgemeinschaft der Guhtmenschen, die eins mit denen vom anderen Ufer gemeinsam haben: Kritik geht gar nicht. Entweder Du findest alles, was wir sagen und machen, ausgezeichnet und unübertrefflich unwidersprechlich – oder wir zählen Dich zum gegnerischen Lager. Das denselben Tunnelblick hat. Allein die Farben der Fahnen wechseln, hinter denen man sich einreihen soll. (→ Wiki was Stade?)

Der Tonfall ist hier wie dort zum Verwechseln ähnlich. Ob ich bei facebook eine so genannte Antifa-Site anklicke oder eine der Alternative für Deutschland, werde ich in Postings und Kommentaren mit Aufrufen auf Kampf eingeschworen. Viel Worte muss keiner machen, alle verstehen sich von vornherein bestens. Ein Icon oder GIF genügt, um Einverständnis zu signalisieren.

Tatsächlich bedeutet das alles nichts. Unverbindliches Klicken eben. Greta Thunberg erklärte, sie sehe nur Schwarz und Weiß. Das und ihre jugendliche Unerfahrenheit scheinen sie dafür zu prädestinieren, zum Symbol ihrer Zeit zu werden.

»Tschüss Hass, Moin Liebe« ist ein Slogan, der mir alle Tage in meiner Filterblase entgegen geschlagen wird. Als pubertierender 16-Jähriger war ich zuletzt so hin und her gerissen. Dass ich inzwischen 60 geworden bin, hat gewiss auch damit zu tun, dass ich mich weder von Hass noch von Liebe habe mitreißen lassen, sondern auch das eingesetzt habe, worin Humanität besteht.

Zumal Tierschützer und Tierrechtler, die inzwischen zum Zeitgeist zählen, tun so, als gäbe es keine Humanität, sondern lauter gleiche Geschöpfe. Wenn sie sich über Tierquälerei erregen, vergessen sie auch das und wünschen den Menschen, die Tieren etwas angetan haben, ungesäumt dieselbe oder schlimmere Pein an den Hals. Ob Tiere lieben oder hassen können sei dahingestellt. Jedenfalls verfügen sie über keine Vernunft. Sie können nur Schwarz oder Weiß sehen.

Wenn irgendwer in meiner Filterblase mir tierisches Verhalten als Vorbild anpreist und zugleich die Menschheit zur minderwertigen Schöpfung erklärt, wird mir ganz schummrig. Der Sozialdarwinismus der Nationalsozialisten hat ebenso Naturgesetze für sich reklamiert, um Staatsgesetze zu verabschieden.

Ob der Ameisenbau oder das Wolfsrudel als Gesellschaftsmodell herhalten muss, macht keinen Unterschied außer dem, dass dieses Denken am Menschen vorbei geht, weil es seine Vernunft unterschlägt, obwohl es sich, als Denken, doch genau dieser bedienen sollte. Die Welt aus der Perspektive der Tierliebe betrachtet sieht aus wie bei Walt Disney. Kann nur ein Happy-End haben.

Kürzlich machte ich mit einem Hund, den ich länger kenne, neue Erfahrungen, nachdem sich dessen Lebensverhältnisse geändert hatten. Zuvor zurückhaltend suchte er nun Kontakt. Ihm war das nicht bewusst. Punkt.

Die Lagerbildung erwartet von mir, so zu tun, als sei ich wie der Hund. Liebe, Hass, Gefühle rauf und runter, Fressen und Gefressenwerden – und ich tue dabei so, als würde ich nichts merken. Als könnte ich nicht inne halten und den Herdentrieb begreifen.

Konzerte wie jenes, bei dem Grönemeyer soeben gegen Rechts geschrien hat, oder Fußballspiele, bei denen Feindschaften gepflegt werden, sind die hauptsächlichen Gelegenheiten in einer weitgehend individualisierten Gesellschaft, bei denen der Herdentrieb voll ausgelebt wird. In jüngster Zeit finden wieder häufiger Demonstrationen statt als Folge der virtuellen Lagerbildung.

Im Wesentlichen aber bleiben die Lager spirituell und individualistisch. Sie bemühen sich nach Kräften, das Freund-Feind-Schema des NS-Vordenkers Carl Schmitt zu erfüllen. Dessen Erben reiben sich die Hände, weil die Lagerbildung insgesamt die Überlegenheit ihrer Theorie bestätigt und ihre Feinde ihnen in der Praxis folgen.

Gleichwohl bleiben beide Parteien im Schema stecken. Ihre Praxis ist nur die Praxis des Theoretisierens: virtuell. Selbst wenn die facebook-Klicker auf die Straße gehen, bleiben sie unter sich. Das macht noch den Unterschied aus zu den Verhältnissen im gegenwärtigen Hongkong wie zu denen in der Weimarer Republik, auf die hierzulande neuerdings so gern rekurriert wird. Der heute potenziell unbegrenzte virtuelle Raum war damals äußerst eng gesteckt. Die Auseinandersetzung fand in erster Linie auf der Straße statt.

Während im Internet die Kriegsvorbereitungen laufen, gehen die Geschäfte ihren gewohnten Gang. In der Wirklichkeit verlaufen die Gräben nicht dort, wo sie auf facebook markiert werden. Nicht die Identität als Tierrechtler oder AfD-Wähler ist von Gewicht, sondern der soziale Status. Er prägt das Verhalten und bestimmt, welchem Lager man sich anschließt. (→ Bürger, Gesindel und sowas)

Und auch das gibt es: Menschen, die aus Überlegung nicht das tun, was ihnen die Gefühle diktieren (um ein gerade zum Kampfbegriff gewordenes Wort zu benutzen), sondern sich maskieren.

Wie Björn Höcke. Was im Einzelnen vor der → ZDF-Kamera besprochen wurde, ist von geringem Belang und nicht neu. Die Ruine des Interviews ermöglicht dem gemeinen Publikum einen Blick, den sonst nur die erhalten, die es führen.

Zur Rechtfertigung, warum das Fragment veröffentlicht wurde, plaudern Journalisten derzeit auch aus dem Nähkästchen – aber nur ein bisschen. Zu genau schildern sie nicht, wie sich die Zusammenarbeit (!) mit Politikern im Alltag gestaltet und wie vielfältig die persönlichen Verbindungen sind, so dass die Interviewten nicht auf Abbrüche eingestellt sind und die Interviewer nicht damit rechnen müssen.

Höcke hatte sich daran gewöhnt, den Medien diktieren zu können, unter welchen Bedingungen Gespräche stattfinden. (→ Höcke im Wald und die Ignoranz) Ziemlich unbedrängt fällt er diesmal aus der Rolle. Er verweist selbst darauf, was für einen anstrengenden Tag er hatte.

Das soll der Oberhetzer sein, der Säle zum Kochen bringt, als sei er tatsächlich ein wiedergeborener Hitler, mit dem der Interviewer ihn unbedingt identifizieren will? Das wurde schon mit NPD-Funktionären probiert, sofern sie überhaupt vor die TV-Kamera durften, und es hat offenkundig nicht funktioniert.

Vielleicht wirkt solche »Entzauberung« auf Unentschlossene; an alle anderen ist der Versuch verschwendet. Hitlers Anhänger wollten einen starken Mann, und den bekamen sie. Höckes Anhänger haben, wie seine Parteigenossen, die das TV feixend vorführt, keine Berührungsangst vor Hitlerismen.

Nebenbei wird Hitler, der Massenmörder, verharmlost, indem man ihm einen Geschichtslehrer zur Seite stellt, der bisher nicht einmal wegen Volksverhetzung verurteilt ist. Höckes Genossen lachen nicht zu Unrecht, wenn dessen Sätze mit denen Hitlers von 1924 identifiziert werden. Sie schrieb einer, der noch unschuldig war an dem, was ihm die Geschichte hauptsächlich zur Last legt.

Dass Mein Kampf kein Hirngespinst blieb, lag an denen, die ähnliche Sätze dachten und sagten. Hitler sagte nichts Neues, nichts Unerhörtes. Andere Pamphlete derselben Zeit schlugen denselben Ton an. So wie Höckes Buch nichts Einzigartiges hat.

Der TV-Blickwinkel bläst Höckes Opus auf und lässt dieses geradezu als Werk eines Verfolgten erscheinen. Als hätte der Autor dafür wiederum das Skript verfasst und den Redakteuren diktiert.

Hitlers Buch ist rückblickend ein teuflisches, weil er das Dargelegte später auch in Blut schrieb. Das muss die Zukunft weisen, ob Höckes Sätze so verderblich gewesen sein werden wie die Hitlers. Bis hierhin ist Höcke vielleicht eine Hitler-Kopie, aber wenn dann nur virtuell, in Worten.

Den Neonazismus der AfD bekommt man nicht zu fassen, wenn man Klein Erna spielt und dumme Fragen stellt. Freilich, wir sind beim ZDF, da muss es halt so einfach wie möglich sein. Andernfalls hätte Höcke sich vermutlich auf kein Interview eingelassen.

Schlagworte statt Begriffe. »Entartung«, »Lebensraum«: darf man nicht sagen, wird suggeriert, und Höcke nimmt die bösen Worte trotzdem in den Mund, also ist er ein Nazi. Nächster Punkt.

Als er seinen Gebrauch von »Entartung« im Gesellschaftlichen mit dem Verweis auf Biologie begründet, wäre Gelegenheit gewesen nachzufassen. Da zeigte sich der Sozialdarwinismus, den er mit vielen anderen als nur seinen Anhängern teilt. Und nun, Herr Höcke, führen wir mal ein Gespräch auf dem Niveau, das Sie für sich beanspruchen, philosophisch-poetisch, und schauen mal, wie weit wir kommen. Bis Ihnen Tierrechtler am Monitor nickend beipflichten oder altgediente CDU-Wähler, die den christlichen Humanismus ihren Klassengenossen vorbehalten möchten, sich gedanklich bei Ihnen gut aufgehoben fühlen.

Der Abbruch wird von beiden Lagern als Bestätigung interpretiert. Ein vollständiges Interview hätte vielleicht keinen Unterschied gemacht, da nichts zur Sprache gekommen wäre, auf das es ankommt. Bemerkenswert an diesem Dokument ist immerhin, dass zeigt, wie Höckes Politiker-Maske zerfällt.

Und zwar in Zeitlupe. Höcke steht nicht einfach auf und geht. Dergleichen Abbrüche waren schon oft zu sehen. Das ZDF-Interview ähnelt vielmehr dem »Ibiza-Video« mit dem ehemaligen österreichischen Vizekanzler H. C. Strache, indem es eine politische Person authentisch abbildet.

Strache wurde privat und geheim gefilmt; der Unterschied zu seiner öffentlichen Selbstdarstellung könnte nicht größer sein. Höckes Image zerbröselt minutenlang in dem Rahmen, in dem es aufgebaut werden sollte. Und nicht einmal das war es, was mir das Bemerkenswerte scheint, sondern wie es dazu kam.

Eine Stimme aus dem Hintergrund fällt dem Interviewer ins Wort, und hernach reden vor allem die beiden miteinander, während Höcke zu sehen ist und sich auch mal etwas einzuwerfen traut. Er steht immer noch nicht auf und geht, er zieht das Gespräch nicht an sich oder entscheidet, was passieren soll. Man sieht, wie er den unsichtbaren Betreuer braucht. Nur heute, weil er so angeschlagen ist, oder immer?

Höcke erinnert mich an Christian Wulff, den ehemaligen Bundespräsidenten. Vor 20 Jahren begegnete ich ihm ein paar Tage hintereinander, auf einer gemeinsamen Tour mit Ole von Beust, der in Hamburg Bürgermeister werden wollte wie Wulff Ministerpräsident in Niedersachsen. Die kommenden Talente der CDU stellten sich in Dörfern und Städten vor, besuchten ortsansässige Firmen und Institutionen. Der vorgesehene Pressetross bestand nur aus mir und dem befreundeten Journalisten, dem ich mich aus Neugier angeschlossen hatte, sowie den Lokaljournalisten, die fallweise dazu stießen.

Mit Von Beust hatte ich bei Gelegenheit ein paar Sätze außerhalb des Protokolls wechseln können, mit Wulff nicht nur keinen einzigen, sondern es ergab sich auch keine Gelegenheit. Eine Szene am Abschluss der Tour in seiner Heimatstadt Osnabrück prägte sich mir ein. Während der Saal sich füllte, in dem er eine Rede halten sollte, stand Wulff rührungslos vor der Tür, als hätte man ihn hier vergessen. Er weder prominent noch verfügte er über sonderliche körperliche Präsenz oder Ausstrahlung: viel Publikum ging an ihm vorbei, ohne ihn zu beachten. Er stand und wartete.

Dann schritt er los, an das Pult – und redete. So vertrauter Von Beust in Hamburg im Umgang mit Medien war, war Wulff der überzeugendere Redner. In der Rolle war er lebhafter als außerhalb. Mir kam er vor, als hätte ihn wer vor der Tür aufgezogen. Über den Wahlkampf 2003 schrieb Der Spiegel: »Vor zehn Jahren noch wirkte Wulff stocksteif und spießig. Er langweilte seine Mitmenschen mit verklausuliertem Juristenlatein. Er sei verkrampft und hölzern gewesen, sagt er.« Und dann erwähnt Wulff die Berater, die er beigezogen hat.

Auch Höcke hat also Berater und Betreuer. Im ZDF-Interview hört man nicht, wie der Schlüssel in den Automaten gesteckt wird, sondern wie er abgezogen wird. Wie alle Welt wissen könnte, war Adolf Hitler von anderem Schlag. Er hat die Welt nach seinem Willen in den Untergang gerissen. Höcke, der Philosoph und Poet als Politiker, ist offenbar nur eine Charaktermaske, hinter der sich andere verstecken.

Hitler hat Mein Kampf übrigens in der Haft verfasst, die er für einen Putschversuch auf der Straße abbüßen musste. Ein Vergleich mit dem Opus von Höcke verbietet sich nicht grundsätzlich, er trägt aber nicht weit, wenn er lediglich zu Provokationszwecken gezogen wird.

Ich könnte glauben, dass Höcke selbst sich mit Hitler vergleicht oder es sich hat einreden lassen. Und wenn schon! Die Bedingungen für eine Machtübernahme der Neuen Nationalsozialisten sind so offenkundig andere, und der Weg dahin wird für alle sichtbar entlang anderer Stationen vollzogen, dass Überblendungen von Hitler, Goebbels oder Himmler mit Höcke, Grönemeyer oder Kalbitz inzwischen gezielt in die Irre führen.

Die wenigsten, die die Vergleiche ziehen, können über die Anführer des Dritten Reichs als Politiker und Personen sonderlich viel wissen, und sie kennen von Höcke und Kalbitz nur gerade das, was ihnen die Medien fallweise anbieten. Über Höcke nun, dank des ZDF-Unfalls, ein wenig mehr als über andere. Genug jedenfalls, um pseudo-psychologische Ähnlichkeiten nicht überzubewerten.

Die interessanteste Person des Interviews ist der endlich Wort führende Berater im Off. Dass und wie er agiert, sollte allen die Illusion nehmen, man müsste den kommenden Hitler nur entlarven, um der Umwälzung der Verhältnisse, die dessen Partei anstrebt, zu entgegnen, oder Widerstand bestünde in der Bildung eines virtuellen Lagers.

Das NS-Regime begann auf der Straße, bevor es in die Parlamente zog. Dort hat das Vierte Reich in Gestalt der AfD bereits Platz genommen, ohne, von PEgIdA in manchen Städten abgesehen, die Straßen nennenswert berührt zu haben. Im Virtuellen sind die Neonazis längst führend.

Höcke als Hitler und Kalbitz als Himmler zu diffamieren ist infantil und zwecklos. Kein einzelner Führer und schon gar nicht dessen Buch waren Schuld am Nationalsozialismus, auch wenn es sich die Deutschen nach 1945 so eingeredet haben und die Legende bis heute anscheinend sogar unter Antifaschisten wirkt.

Dass Medien auf Gesichter abfahren und Sachthemen stets personalisieren verzerrt die Realität alltäglich. Personen machen Politik, aber diese wird nicht von privaten Befindlichkeiten sondern Strukturen bestimmt. Die AfD ist ohne Führer in den Bundestag gelangt, und ob Höcke als Person mehr oder weniger Einfluss hat, spielt keine entscheidende Rolle.

Nationalsozialismus ist ein Gewebe aus Anschauungen und Haltungen, das sich auch dort ausbreitet, wo keine Fahnen geschwenkt werden und nicht AfD draufsteht. Den öffentlichen Sprachgebrauch von »Entartung« zu regulieren und Höcke damit zu brandmarken, dass er die Vokabel im NS-Sinn zu verwenden scheint, ist l’art pour l’art und wird keinen anständigen Bürger davon abhalten, sich für »normal« zu halten und alle, die von seiner Norm abweichen, als entartet anzusehen.

Für Sprachkosmetik ist es ohnedies viel zu spät. Ein Ex-SPD-Vorsitzender zum Beispiel meinte zuerst, man müsse die Hassreden der PEgIdA als politische Argumente annehmen, um die »besorgten Bürger« bald darauf als »Pack« zu beschimpfen. Bevor die AfD mit der Flüchtlingskrise von 2015 ihren Aufschwung nahm, war ihr Freund-Feind-Denken von der etablierten Politik übernommen worden, der es nie ganz fremd gewesen war.

Indem die AfD als Zielscheibe an die Wand gemalt wird und das Publikum auf Höcke als Hitler-Abziehbild starrt, wird sich nicht nur der AfD-Methode des Diskurses unterworfen, sondern davon abgelenkt, wo nationalsozialistische Anschauungen und Haltungen längst installiert waren und warum diese Partei, anders als NPD, DVU, Republikaner, Der III. Weg, auf diesen Vorrat so rasch und erfolgreich zurückgreifen konnte.

Außer für 16-Jährige hieße das für die meisten, die vor fünf oder sechs Jahren bereits die Stellung eingenommen hatten, die sie auch heute inne haben, und so dachten, redeten und handelten, wie es bis dahin als politisch korrekt galt: Selbstkritik üben. Die AfD ist kein Betriebsunfall, ihre Mitglieder und Anhänger sind nicht als Aliens aus dem Weltraum gelandet.

Sie ist das Produkt einer Gesellschaft, die nun so tut, als könne man die Partei heraus operieren und zurück auf den Abfallhaufen der Geschichte werfen, und alles wäre wieder wie früher. Die Partei ist unter anderem Fleisch vom Fleische vieler derer, die heute bei ihrer Bekämpfung in der ersten Reihe stehen und sich nicht anders benommen haben als besagter SPD-Vorsitzender.

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